Bei Barcelonas 0:0 gegen Atlético Madrid versprühte Barças Mittelfeld keinerlei Dynamik und Kreativität, während der Blaugrana abermals ein Zielspieler im Sturmzentrum fehlte. Mit Ronald Araujos Einwechslung stabilisierte Barça sich immerhin defensiv. Die Brennpunkte zu Barça vs. Atlético.
Barças Mittelfeld träge und behäbig
Es war wohl schon vor dem Spiel klar, dass der FC Barcelona sein Spiel gegen Atlético Madrid über ballbesitzorientierten Fußball definieren würde. Um sich die Sicherheit für diese Spielidee zu holen, ließen die Katalanen dementsprechend – wie gegen den FC Granada – in der Anfangsphase das Spielgerät erst einmal in den eigenen Reihen laufen, sobald sie den Ball am Fuß hatten. In Richtung gegnerisches Tor ging zunächst jedoch wenig, auch weil die Akteure der Blaugrana überrascht vom hohen Anlaufen Atléticos wirkten.
Zu Beginn der Partie machte es noch den Anschein, als ob sich Barça dadurch geduldig zeigte und die Sache im womöglich wichtigsten Spiel im Kampf um die Meisterschaft nicht überstürzen wollte, was erstmal keineswegs negativ zu bewerten ist. Mit fortschreitender Spieldauer offenbarten die Gastgeber jedoch, dass ihnen beim Spielaufbau viel zu früh die Ideen ausgingen. Vor allem aus dem Mittelfeld heraus kam hierbei zu wenig, so konnte Frenkie de Jong weder auf der Position des Achters, noch auf der des Sechsers für Dynamik sorgen, die von ihm gewohnten Läufe in die Tiefe starten oder durch explosive Sprints Raumgewinne erzielen. Auch natürlich, weil sich seine Rolle durch Busquets’ Auswechslung änderte.
Viel blasser agierte im Mittelfeld nur Pedri (Barçawelt-Note 4). Der 18-Jährige schaffte es in seinem 50. Pflichtspieleinsatz für die Blaugrana nicht, als treibende Kraft im Zentrum zu agieren; er wirkte fast schon energielos und wurde so vom routinierten Mittelfeld der Rojiblancos nahezu problemlos vom Spiel abgemeldet. Gleiches galt für Busquets in der Zeit, in der er auf dem Platz stand. Zwar brachte er 96 Prozent seiner Zuspiele an dem Mann, impulsgebend waren die wenigsten von ihnen – auch, weil seine Mitspieler im Zentrum kaum in Bewegung kamen oder mit Gedankenblitzen in leere Räume stießen.
Dass dieses Mittel der Überraschung die Colchoneros potentiell aus der Grundordnung bringen konnte, zeigte Lionel Messi eindrucksvoll in der 41. Minute, als er mit seinem Antritt gleich sechs Gegenspieler auf sich zog und aus dem Spiel nahm. Solche Vorstöße hätten sich die Culés wohl auch von de Jong und Pedri erhofft, an diesem Nachmittag schaffte es nicht einmal der für Busquets früh eingewechselte Ilaix Moriba, für Dynamik im Offensivspiel zu sorgen, wodurch das Mittelfeld der Blaugrana einen insgesamt trägen Eindruck machte.
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Alba und Dest fehlt ein weiterer Zielspieler
Dass bei den Hausherren in der zweiten Halbzeit überhaupt Gefahr für den Kasten von Jan Oblak aufkam, hat der FC Barcelona allen voran den beiden Wingbacks Sergiño Dest und Jordi Alba zu verdanken. Nach dem Seitenwechsel entschieden sich beide dazu, die Breite des Feldes besser zu nutzen, um so mit Offensivläufen parallel zur Seitenlinie die mittlerweile weit nach hinten verlagerten Ketten Atléticos auseinander zu ziehen. Dadurch entstand automatisch mehr Platz für die Mittelfeldakteure der Katalanen, wodurch sie im Vergleich zum ersten Durchgang immerhin etwas mehr Freiräume erlangten.
Viel wichtiger war aber, dass somit das Spiel Barças im Kollektiv zwingender und zielstrebiger erschien. So kreierte der FC Barcelona Mitte des zweiten Durchgangs selbst gute Möglichkeiten auf den Führungstreffer. Auf einmal griffen die Automatismen wieder, was sich gerade im Zusammenspiel von Messi und Alba zeigte. Dass die Anzeigetafel im Camp Nou über das Spiel hinweg keine Veränderung erfuhr, liegt dabei größtenteils daran, dass auch in dieser Begegnung ein Zielspieler im Sturmzentrum fehlte.
Durch die defensive Ausrichtung Atletis ließ sich Lionel Messi häufig tief fallen, wodurch Antoine Griezmann lange als einzige wirkliche Anspielstation im letzten Drittel galt, so waren bei Barça phasenweise vier Spieler darauf bedacht, das Spiel aus der Tiefe heraus zu gestalten. Gegen ein solches Bollwerk mindestens einer zu viel. Dementsprechend harmlos agierte auch Griezmann, der dadurch ein ums andere Mal auf sich alleine gestellt war.
Auch die Hereingaben von Dest und Alba suchten häufig vergeblich einen Abnehmer in gefährlicher Position, viel mehr landeten sie beim Gegenspieler, beim Mitspieler außerhalb des Strafraums oder bei einem aufgerückten Achter, der einen eher überraschten Eindruck machte, sobald der Ball seinen Weg zu ihm fand. Was eine weitere ausgebildete Offensivkraft dabei bewirken kann, verdeutlichte der erst spät eingewechselte Ousmane Dembélé in der 85. Spielminute, als er eine unwiderstehliche Alba-Flanke fast schon unbedrängt aus nächster Distanz nicht aufs Tor brachte. Ein Spielzug, der nicht nur zeigte, wie schwer sich Atlético in dieser Saison mit scharfen Hereingaben tut, sondern auch wie wichtig ein weiterer Zielspieler im Sturm neben Griezmann an diesem Samstag gewesen wäre.
Mit Araujo kommt Stabilität und Kampfgeist
Dass das Momentum in Durchgang zwei zum FC Barcelona überschwappte, lag auch an der Stabilität, die Barça durch Ronald Araujos Einwechslung in der Halbzeit erfuhr. Zuvor gelang es der Mannschaft von Diego Simeone mit den flinken Offensivspielern, Barças Verteidigung im Kollektiv alt aussehen zu lassen. Vor allem Yannick Carrasco bestätigte in den direkten Duellen mit Mingueza seine Form in diesem Jahr, so entwischte er dem La-Masia-Absolventen viel zu oft. Araujo gewann hingegen jeden seiner Zweikämpfe, sorgte nach Standards vorne für Gefahr und zeigte in der 71. Minute im Laufduell mit Carrasco, wie man den Belgier richtig bearbeitet.
Außerdem wurden von den Rojiblancos Schwachstellen in Barças 3-5-2 aufgezeigt, indem sie in der ersten Halbzeit immer wieder Richtung Grundlinie marschierten, um dann den Ball in die Zonen zwischen Dreierkette und Achter zu spielen. Mit Araujo auf dem Platz legte die Blaugrana dann eine ganz andere Präsenz an den Tag, sei es in den direkten Zweikämpfen oder im Spiel gegen den Ball, wenn es darum ging, mögliche Anspielstationen der Gäste im Spielaufbau clever zu stellen oder auf den Außenbahnen die Flügelspieler Atletis zu doppeln, weswegen man in mehreren Situationen für Überzahl sorgen konnte.
Dass in diesem zweiten Spielabschnitt jeder Akteur auf Seiten Barças den nötigen Einsatz abrief, lässt sich gut am Beispiel Leo Messis festmachen, der in der 81. Minute nach einer miserablen Freistoßvariante zum Sprint anzog, um so den Konter der Colchoneros zu verhindern. Solch kämpferische Leistungen werden wohl auch in den letzten Partien im Kampf um die Meisterschaft gefragt sein.