Soll er bleiben oder soll er gehen? Die Frage nach der Zukunft von Ronald Koeman beim FC Barcelona scheint die Fan-Gemeinde derzeit zu spalten. Die Redakteure von Barçawelt geben nun ihre persönlichen Meinungen zu diesem Thema ab.
Soll Ronald Koeman auch in der kommenden Saison Trainer des FC Barcelona sein?
Bastian Quednau: Sofern nicht noch überraschenderweise ein Top-Trainer auf den Markt kommt, sollte Barça meiner Meinung nach mit Koeman weitermachen. Ja, die letzten Wochen waren nicht gut, aber man darf auch nicht vergessen, dass die Katalanen bis zur Länderspielpause in bestechender Form waren. Dass diese außergewöhnliche und für die Spieler stressige Saison nun ihren Tribut zollt, sollte nicht zu Koemans Rauswurf führen. Ja, sein schlechtes Abschneiden gegen Top-Teams in dieser Saison sollte nicht unbedacht bleiben, doch es war von Anfang an klar, dass der Niederländer mit diesem Barça kein Sieger-Team übernimmt. Und wenn man Culés vor der Saison gefragt hätte, ob sie es nehmen würden, wenn die Blaugrana bis drei Spieltage vor Schluss im Meisterschaftskampf vertreten wäre und gleichzeitig die deutliche Verjüngung des Kaders erfolgreich angestoßen werden würde, so hätten wohl nicht wenige mit “ja” geantwortet.
Ramon Ram: Es war wohl jedem, also auch Ronald Koeman bewusst, dass er sich einer schwierigen Aufgabe stellt. In Anbetracht dieser Umstände hat er einen ordentlichen Job gemacht, der wider Erwarten sogar einen Titel einbrachte. Sein notgedrungener Umbruch trägt Früchte, die Basis für kommende Erfolge ist gelegt und dennoch bin ich nicht vollends davon überzeugt, dass Ronald Koeman auch in der kommenden Saison das Zepter schwingen soll. Der Glaube, dass der Holländer begeisternden Fußball spielen lassen kann und die Barça-Philosophie bedingungslos ausreizt, fehlt mir. Bei Trainern mit der angeborenen Barça-DNA wie Xavi, Francisco Garcia Pimienta oder – lasst uns träumen – Pep Guardiola, wäre dieser Glaube da. Ronald Koeman sollte daher nur weitermachen, wenn keine der genannten Alternativen verfügbar wäre.
Jan-Hendrik Busch: Ich schlage da in die gleiche Kerbe wie Ramon. In Anbetracht der Umstände bei der Amtsübernahme hat Ronald Koeman einen guten Job gemacht und die geringen Erwartungen der Culés übertroffen. Dennoch sehe ich bei Koeman kein Konzept, keine Philosophie, auf die der Verein in den nächsten Jahren aufbauen kann. Besonders in den wichtigen Spielen hat der Niederländer falsche personelle Entscheidungen getroffen, auch in taktischer Hinsicht wirkte die Mannschaft häufig schlecht eingestellt und ohne Plan oder Ideen. Abgesehen von der Systemumstellung und ein paar kurzzeitigen Experimenten (z. B. Frenkie de Jong in der Innenverteidigung oder Ousmane Dembélé als Sturmspitze) hat Koeman nur wenig neue Ansätze verfolgt, und auch die Aufstiege von Leuten wie Pedri, Ilaix Moriba oder Oscar Mingueza kamen eher aus der Not gedrungen. Seine Ignoranz gegenüber Riqui Puig, die sich durch rein sportliche Gründe nicht gänzlich erklären lässt, ist mir zudem ein ganz persönlicher Dorn im Auge. Es ist an der Zeit, dass man Garcia Pimienta das Vertrauen entgegen bringt, welches er sich durch seine überragende Arbeit bei der zweiten Mannschaft in den letzten Jahren verdient hat – sofern nicht auf einmal ein Pep Guardiola auf den Trainermarkt kommt.
Benjamin Schiffers: Koeman übernahm unter widrigsten Bedingungen im Sommer (Champions-League-Debakel gegen Bayern, schwierige finanzielle Lage, die letzten Atemzüge des Bartomeu-Vorstands, die Messi-Causa) und schaffte es nach einer schwierigen Hinrunde, die Mannschaft in die Spur zu bringen. Ihm gelang der Copa-Triumph und in La Liga konnte Barça noch in den Meisterschaftskampf eingreifen, auch wenn dieser Titel jetzt wahrscheinlich verspielt wurde. Ich möchte ihm insbesondere positiv anrechnen, dass er das Team wieder zu einer echten Einheit geformt hat und Lionel Messi ganz offensichtlich in die Mannschaft reintegrieren konnte. Er hat massiv auf junge Spieler gesetzt wie es seit Pep Guardiola bei den Katalanen nicht mehr der Fall war. Sicherlich hat der 58-Jährige nicht fehlerlos agiert, wenn man sein wiederkehrendes Lamentieren über Schiedsrichterentscheidungen oder seine teilweise fragwürdigen Personalentscheidungen wie im letzten Spiel gegen Levante betrachtet. Für mich überwiegen dennoch insgesamt die Argumente, die für eine Weiterbeschäftigung Koemans sprechen. Die Möglichkeit, mit einem veränderten Kader die kommende Saison angehen zu können, sollte man ihm geben.
Benjamin König: Auch ich bin der Meinung, dass der FC Barcelona Ronald Koeman die Chance geben sollte, mit einem angepassten Kader in die nächste Saison zu gehen. Der Niederländer schaffte es trotz schwierigem Start in seine Amtszeit als Barça-Trainer, (fast) jeden im Team abzuholen. Das Argument des eingeleiteten Umbruchs inklusive Verjüngung der Mannschaft zählt jedoch nicht für die Entscheidung Pro-Koeman; so war es eher ein erzwungener Umbruch. Das ist am Beispiel von Oscar Mingueza festzumachen. Der Verteidiger kam wegen einer Piqué-Verletzung zum Debüt und brillierte so, dass Koeman ihn gar nicht für die nächsten Spiele ignorieren konnte. Zudem sollte er weitsichtiger werden und die eigenen Entscheidungen reflektieren – vor allem was die Aufstellungen angeht. Für den überspielt wirkenden Pedri hätte er viel häufiger Ilaix Moriba und auch seinen “Lieblingsspieler” Riqui Puig bringen sollen; in der Defensive muss er sich auf bestimmte Spieler festlegen, um das Chaos der letzten Spiele nicht nochmal zu verursachen. Barça sollte also mit ihm in die nächste Spielzeit gehen, seine Entscheidungen aber stets mit kritischen Blicken begleiten.
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Fabian Scheffold: Prinzipiell denke ich, dass Koeman diese Saison einen hervorragenden Job gemacht hat. Ich stand seiner Verpflichtung eher kritisch gegenüber und finde auch sein Verhalten bzw. sein Coaching an einigen Stellen (z.B. die wütende Mingueza-Auswechslung) nicht richtig. Dennoch steht er zu seinem Verhalten und gibt Fehler auch offen zu, was ich sehr positiv finde. Taktisch gesehen hat Koeman der Mannschaft eine neue Note verabreicht, und seine Handschrift ist deutlich zu erkennen. Auch, dass er sich traut, vom heiligen 4-3-3 abzuweichen spricht für ihn. Und am Ende der Saison fehlten wirklich nur ein bis zwei Prozent, um aus einer guten eine sehr gute Saison zu machen. Darüber hinaus hat Koeman den Mut, auf junge Spieler zu setzen und den Umbruch voranzutreiben. Man sollte daher in meinen Augen definitiv mit Koeman weitermachen. Wenn der Niederländer aus seinen Fehlern lernt und sich weiterentwickelt, sich die jungen Spieler stabilisieren und der Vorstand bei der Kaderzusammenstellung an den richtigen Schrauben dreht, kann man in dieser Konstellation nächstes Jahr Großes erreichen (vorausgesetzt, Messi bleibt). Es gäbe in meinen Augen nur zwei Trainer, für die ich Koeman aktuell eintauschen würde: Hansi Flick und Pep Guardiola.