Nur noch ein Spiel ist der FC Barcelona vom Finale der Copa del Rey und dem ersten möglichen Titel dieser Saison entfernt. Doch dieses eine Spiel könnte sich schwieriger als erwartet gestalten. Gegen Villarreal CF muss sich Barça erneut einer harten Beweisprobe unterstellen und einen 3:1-Vorsprung aus dem Hinspiel zum Finaleinzug verwalten. Vor diesem Kracher haben wir uns das ‘gelbe U-Boot’ sowie das Hinspiel im Camp Nou noch einmal genau angesehen und wollen einen kleinen Ausblick auf das Rückspiel im ‘El Madrigal’ geben.
48. Minute: Manuel Trigueros erzielt für seine Mannen das (glückliche) 1:1 gegen den FC Barcelona im Halbfinal-Hinspiel. Der Eingewechselte schießt damit nicht nur den vorläufigen Ausgleich für sein Team, sondern auch noch das so wichtige Auswärtstor im Cup. Doch Barça lässt sich nicht beirren, spielt postwendend mutig nach vorne und belohnt sich mit zwei weiteren Treffern, wobei Neymar sogar noch einen Elfmeter vergibt. Doch ein Aspekt überragt die gute Basis für das Rückspiel: Mit Villarreal CF wurde eines der Top-Teams Spaniens in die Schranken gewiesen.
Villarreal CF: Unterschätzte Widersacher
Doch zuerst wollen wir uns einen generellen Überblick über die Mannschaft Villarreals verschaffen. Die Elf von Trainer Marcelino agiert – so auch gesehen in den Spielen gegen den FC Barcelona – auf dem Papier in einem mittlerweile aus der Mode gekommenen 4-4-2. Dabei bilden Musacchio sowie Ruiz die starke Innenverteidigung, die bei möglichen Zuspielen des Gegners in den Zwischenlinienraum mit gutem Herausrücken sofort Zugriff auf den Spieler mit Ball erhalten sollen. Auf den Außenverteidiger-Positionen finden sich mit Gaspar sowie Costa zwei relativ simpel ausgerichtete Außenverteidiger, die zum einen ballnah bei gegnerischen Pressingversuchen unterstützend agieren sollen, und zum anderen hauptsächlich linear ausgerichtet sind und als Breitengeber für ihre Mannschaft fungieren.
Vor der letzten Verteidigungslinie Villarreals befinden sich dann zwei halbraum-fokussierte Stürmer, namentlich Cheryshev sowie Jonathan dos Santos, und die Doppelsechs bestehend aus Soriano (laboriert aktuell an einer Verletzung aus dem Hinspiel) beziehungsweise Pina. Die Doppelsechs agiert in ihrem Verhalten relativ wenig raumöffnend und verschiebt bei eigenem Ballbesitz mit einem Sechser zum Ball, der andere wiederum positioniert sich zentral im Sechserraum. Cheryshev und dos Santos hingegen kreuzen zuweilen auch die Laufwege mit den beiden interessanten Stürmern Vietto sowie Giovani dos Santos. Die Stürmer sollen Präsenz zwischen der letzten Verteidigungslinie des Gegners erzeugen sowie eventuell schnelle Ablagen in die Schnittstellen der Abwehr zum zweiten Stürmer oder zum jeweiligen Halbraumstürmer nach Abkippen im Zwischenlinienraum geben.
Obwohl Villarreal durch die oben beschriebenen Mechanismen ein relativ simples, aber dafür klar strukturiertes und sauberes Ballbesitzspiel aufziehen kann, das durch seine Direktheit und Vertikalität hervorsticht, so ist es die Defensivanordnung des ‘gelben U-Boots’, die in den letzten Wochen die Aufmerksamkeit der Massen erregt hat. Dabei könnte man auf den ersten Blick meinen, dass diese Mannschaft durch lediglich zwei Viererketten zur Verteidigung ansetzt. Das entspricht sicherlich der unumstrittenen Wahrheit, dennoch sollte man in diesem Kontext einige interessante Abläufe der 10 Feldspieler nicht außer Acht lassen.
Das 4-4-2 in der Defensivanordnung und bei relativ passiver Ausrichtung (also der Positionierung vor dem eigenen Strafraum) besticht im Fall von Villarreal durch eine grandiose vertikale sowie horizontale Kompaktheit zwischen den Ketten. Des Weiteren verschiebt die Mannschaft unglaublich ballorientiert auf den ballführenden Spieler und kann somit in Nähe des runden Spielgeräts für sehr kleinräumige Engstellen beziehungsweise viele Spieler in Ballnähe sorgen. Doch zwei Aspekte oder besser gesagt Nachteile besitzt dieses Defensivgerüst trotzdem: Zum einen bedarf es beim Verschieben auf einen Flügel eine gewisse Zeitdauer, um kompakt und geordnet wieder auf den anderen Flügel nachzuschieben. Zum anderen wäre ein starres 4-4-2 relativ leicht via Durchbrüche in die Halbräume zu knacken. Diese können weder durch den jeweiligen Sechser noch den Flügelakteur gedeckt werden, da ansonsten das Zentrum oder der Flügel entblößt wird. Diesen Punkt kontert Marcelino mit sehr kraftraubenden Mannorientierungen in Ballnähe, wenn der Gegner Vertikalsprints durch den jeweiligen Halbraum startet.
Sollte der Gegenspieler also durch den Halbraum starten und anschließend Zuspiele erwarten, dann gebe es trotzdem immer einen Spieler in Ballnähe. Des Weiteren wären danach lediglich Pässe auf die Außen möglich, da das Zentrum durch die Präsenz einiger Spieler vollkommen zugedeckt wäre. Marcelinos Konzept bietet aber in einem anderen Punkt eine nicht zu verachtende Schwachstelle, die es zu betrachten gilt. Bei Mannorientierungen in die defensiven Halbräume verlässt einer der Spieler der vorderen Viererkette seine Position und erzeugt damit (selten saubere) 5-3 Staffelungen im Defensivgebilde. Dies könnte insofern ein Problem für die Zukunft darstellen, als Mannschaften diesen Umstand der instabilen ersten Verteidigungslinie durch beispielsweise schnelle Direktpässe über das Zentrum in die Schnittstellen der Abwehr ausnützen könnten.
Alles in allem lässt sich also sagen, dass Villarreal in vielen Belangen der Ballzirkulation sowie dem Defensiv-Verhalten klare Muster zum Erkennen gibt und diese auch konsequent über 90 Minuten durchspielen möchte. Dabei ragt in diesem Gebilde auch kein Spieler allzu deutlich heraus (am ehesten noch Topscorer Luciano Vietto), sondern vielmehr die unglaubliche Laufleistung sämtlicher Akteure, um dieses ganze Konstrukt am Leben zu erhalten und dem Gegner so wenig Raum wie nur möglich zum Bespielen zu geben.
Wie der FC Barcelona die gelbe Mauer durchbrach
Auch der FC Barcelona erkannte die oben genannten Schwächen Villarreals mit den Halbräumen und dem eventuell fehlenden Zugriff der zweiten Verteidigungslinie auf den Gegner. Doch zuerst einmal alles der Reihe nach: Barça startete in seinem gewohnt traditionellen 4-3-3, dieses Mal mit Marc-André ter Stegen im Tor. Davor agierten Alba, Mathieu, Piqué sowie Alves in der Verteidigung und Iniesta, Mascherano, Rafinha als Mittelfeldkette. Das trio infernale – bestehend aus Neymar, Suárez sowie Messi – komplettierte die Startelf der Blaugrana.
Dass ausgerechnet der junge Rafinha in diesem doch recht wichtigen Spiel antreten durfte, ließ bei einigen Fans durchaus überraschende Blicke aufkommen. Mit Ivan Rakitić wurde immerhin ein fitter Stammspieler des FC Barcelona auf die Bank gesetzt. Doch die Berufung Rafinhas hatte zweifelsohne logische Gründe. Zum einen konnte der Brasilianer in dieser Saison schon des Öfteren mit einer passablen Technik große Ausrufezeichen setzen, die in solch extremen Engstellen Villarreals sicherlich gefragt waren. Zum anderen handelt es sich beim 21-Jährigen mit Sicherheit um einen laufstarken Mittelfeldspieler, der Vertikalsprints durch die Ketten tätigt und seinen Mitspielern somit häufig Freiraum öffnet.
Besonders auffallend in dieser Partie war die noch zentralere Positionierung von Dani Alves als in den Spielern zuvor. Der Barça-Star schien sich bereits in Manier eines ausweichenden Sechsers in seinen Halbraum auf dem Feld zu bewegen und beteiligte sich häufig zusammen mit Mascherano sowie Iniesta an der Ballzirkulation. Dieser Umstand hatte zwei Resultate zur Folge. Einerseits konnte Rafinha so Tiefensprints in die Ketten der Abwehr tätigen, ohne einen riesigen Raum zu entblößen und damit einen Mitspieler an sich binden, andererseits hatte Lionel Messi damit auf seinem rechten Flügel relativ viel Raum zur Verfügung, falls er den Ball erhalten sollte und Villarreal erst einmal zum Argentinier verschieben musste.
‘La Pulga’ ist auch das Stichwort für unseren nächsten Aspekt. Der Argentinier sollte eine zentrale Rolle im Spiel des FC Barcelona erhalten und durch seine Gegenspieler so viel Raum wie nur möglich bekommen. Messi positionierte sich an zwei zentralen Punkten auf dem Spielfeld. Das wäre auf der einen Seite der gegnerische Sechserraum vor den zwei Viererketten sowie der rechte Flügel. Dabei achtete der Argentinier immer darauf, wo die Gegenspieler in diesem Moment wenig Zugriff auf ihn haben könnten. Waren die Ketten weit zurückgedrängt, dann konnte man den Barça-Star im Sechserraum Villarreals sehen. Wurde extrem nach links verschoben, so agierte der 27-Jährige auf dem rechten Flügel.
Was in dieser Partie allerdings am meisten herausgestochen hat, war die sensationelle Abwehrarbeit des FC Barcelona. Das umschließt sowohl die Staffellungen beim Gegenpressing als auch das größtenteils ausgeführte Mittelfeldpressing der Enrique-Elf. Durch die zentralere Positionierung Alves’ konnte der Brasilianer relativ schnell auf den sprintstarken und tororientierten Cheryshev Zugriff aufbauen und ihn auf die Seiten drängen. Zudem waren klare 2-1-2/2-1-3 Staffelungen Barcelonas als Absicherung bei Ballzirkulation sichtbar, wo vor allem Mascherano immer großartig und sinnvoll einen der beiden Stürmer in Manndeckung nahm und Angriffe somit schnell im Keim erstickte. Im Offensivpressing agierte der FC Barcelona zu größten Teilen der Partie in einem klaren 4-4-2/4-1-4-1, wo entweder einer der beiden Flügelstürmer zusammen mit Suárez vorne presste oder sich in einer horizontalen Linie mit den Achtern sowie dem zweiten Flügelspieler einfügte.
Das Prozedere lief dabei nicht allzu komplex ab. Einer der Flügelstürmer (vor allem Neymar konnte in diesem Zusammenhang überzeugen) oder Achter lief den ballfernen Sechser an und positionierte sich dann in dessen Nähe. Sollte er zu einem Innenverteidiger gepasst haben, dann käme der andere Flügelstürmer beziehungsweise Achter her und versperrt den Passweg auf den Außenverteidiger. Suárez hingegen achtet darauf, dass der Innenverteidiger nicht zum anderen Innenverteidiger oder Torhüter zurückpassen kann und sich somit in einer absoluten Ausnahmesituation mit so gut wie gar keinen Flachpassstationen befindet. In dieser Art und Weise fiel dann auch das erste Tor, als der Sechser Villarreals notgedrungen nach dem beschriebenen Schema noch den Ball zum Innenverteidiger spielen wollte, aber einen grauenvollen Rückpass in die Beine von Suárez spielte.
Ausblick auf das Rückspiel
3:1 ging diese Partie letzten Endes dann auch aus. Durch einen riesigen Bock von Marc-André ter Stegen kam die Elf von Marcelino zum glücklichen und unverdienten Ausgleich, den die Katalanen allerdings auf eine imposante Art und Weise wieder zunichtemachen konnten. Das 2:1 durch Iniesta fiel nach einer glücklichen Ablage von dos Santos auf Trigueros, die der WM-Finaltorschütze noch zu Suárez spitzeln konnte. Nach einem anschließenden Doppel-Doppelpass mit Suárez und Gaspar brauchte der 30-Jährige nur mehr einzuschieben. Den Endstand zum 3:1 für den FC Barcelona erzielte schlussendlich Piqué nach einem Eckball, nachdem er sich sehr gut von Ruiz lösen konnte. Nach einem hohen Ball von Iniesta sowie der darauf folgenden Ablage von Suárez auf Messi verwechselte Musacchio die Sportart und berührte den Ball mit der Hand. Neymar konnte dieses Geschenk zum 4:1 aber zum Leidwesen der Culés nicht annehmen.
Dennoch ist dieses Ergebnis eine hervorragende Ausgangsposition für das Rückspiel im ‘El Madrigal’. Somit wird Villarreal gezwungen sein, mindestens zwei Tore im Heimstadion zu erzielen. Im gleichen Atemzug muss aber erwähnt werden, dass das Tor von Keeper Asenjo möglichst sauber bleiben muss, will man sich realistische Chancen auf das Finale erspielen. Für die Katalanen bedeutet dies, dass man nach vielen zuletzt dominanten Auftritten mit dem Ball das mittlerweile effektive Umschaltspiel wieder einmal einsetzen kann und ein Auswärtstor somit nicht ausgeschlossen scheint. Villarreal hingegen muss häufiger auf den Ballbesitz gehen und könnte uns vielleicht auch ein bisschen von ihrem Zirkulationsspiel zur Schau stellen. Eines ist aber schon vor diesem Spiel sicher: Die Angelegenheit wird – aus rein taktischer Sicht – eine höchst interessante für alle neutralen Zuschauer; mit dem hoffentlich besseren Ende für den FC Barcelona, versteht sich doch.