Im letzten Spiel der spanischen Fußballsaison trafen der Meister FC Barcelona und der Europa-League-Sieger FC Sevilla aufeinander. Es ging um den spanischen Königspokal, die Copa del Rey. 38 Minuten lang war es ein ausgeglichenes Spiel, dann sah Javier Mascherano die rote Karte und das Spiel schien vorentschieden. Doch Barça zeigte eine kämpferische Leistung, die kaum hoch genug zu würdigen ist und gewann in der Verlängerung gegen mittlerweile ebenfalls zehn Sevillaner (später sogar nur noch neun) mit 2:0. Besonders die Anpassungen von Luis Enrique nach dem Platzverweis sowie nach der Verletzung von Luis Suárez waren sehr interessant und entscheidend am Copa-Triumph.
Die jeweilige Marschroute
Sevilla startete in einem 4-2-3-1-System und spielte eher abwartend. Meistens spielt Sevilla hohes Pressing, doch gegen die Blaugrana wollte man zunächst defensiv gut stehen und dann über schnelle Gegenstöße die frei gewordenen Räume nutzen, um zum Erfolg zu kommen. Durch die eher defensive Grundhaltung gelang es der Mannschaft von Unai Emery recht gut, die entscheidenden Zonen abzudecken. Man konnte durch die zurückgezogenen Mittelfeldspieler sowohl die gegnerischen Außenstürmer als auch das Zentrum gut zustellen. Problematisch konnte es werden, wenn die Außenstürmer nach innen zogen und die Außenverteidiger Dani Alves und Jordi Alba nachrückten. In diesen Situationen war es unabdinglich, dass Sevillas offensive Außenspieler Coke und Vitolo ebenfalls weit mit nach hinten arbeiteten, um die kollektive Stabilität zu gewährleisten.
Die hier gezeigte Szene ging Barças erster guter Chance voraus. Rami spekuliert darauf, dass Iniesta Suárez kurz anspielt, und will diesen Pass abfangen. Doch Iniesta lupfte den Ball zu Suárez, der sich in den Rücken von Rami bewegte und dort vergleichsweise viel Platz vorfand. Solche vorbeugenden Aktionen, wie diese von Rami, können sehr hilfreich sein, doch dazu muss das Timing und die Situation stimmen. In dieser Situation war es jedoch nicht nötig, weil Suárez selbst bei einem erfolgreichen Kurzpass von Iniesta keine direkte Torgefahr ausgestrahlt hätte und Sevilla sowieso gerade gut gestaffelt stand.
Offensiv wollte Sevilla vor allem über die Außen zum Erfolg kommen. Sie spielten mit vielen Hereingaben und strahlten dadurch ein ums andere Mal Gefahr aus. In dieser Situation verlor die Blaugrana den Ball etwas leichtfertig auf außen, weshalb Iniesta nicht in der Zentrale anzutreffen ist und Coke dadurch komplett frei steht. Anders als noch im Europa-League-Finale gegen Liverpool zeigte er aber diesmal keine Torjäger-Fähigkeiten und vergab diese gute Chance.
Durch Albas verlorenen Zweikampf musste Piqué zu Vitolo rücken, weshalb Gameiro von einem Mitspieler übernommen werden musste. Dies war Busquets, der aber besser bei Coke aufgehoben gewesen wäre, sich jedoch um die Gefahr kümmern musste, die näher am Tor stand. Es fehlte einfach die Ordnung in dieser Szene, weil man kurz zuvor noch dabei war, nach vorne umzuschalten. Dass solche Situationen dann schnell sehr gefährlich werden können, ist hinlänglich bekannt und zeigte sich auch in der Champions League im selben Stadion gegen Atlético Madrid, als Griezmann das 1:0 für die Madrilenen erzielte.
Die rote Karte für Mascherano
Nach einem langen Abstoß von Sevilla rückte Gerard Piqué aus seiner Position heraus, um den hohen Ball zu klären. Jedoch verlor er dieses Kopfballduell, wodurch Mascherano in ein Duell mit Gameiro verwickelt wurde. Der Argentinier zog den Franzosen um und flog zurecht vom Platz. Piqué ging volles Risiko und wurde dafür bestraft. Für Mascherano war es natürlich sehr schwer Gameiro entscheidend abzudecken, da der Ball sowohl links als auch rechts hätte hinkommen können. Mascherano wurde vermutlich auf dem falschen Fuß erwischt, was natürlich passieren kann. Jedoch hätte er dann das Foulspiel vermeiden sollen. Im schlimmsten Fall fällt das Tor, aber immerhin bleibt Barça bei elf Spielern und muss nicht in Unterzahl spielen.
Luis Enriques Anpassungen
Luis Enrique stand nun vor einem echten Dilemma, da es extrem schwierig ist, auf so eine Situation zu reagieren. Bis zur Halbzeit spielte Sergio Busquets in der Innenverteidigung und Ivan Rakitić gab so etwas wie den Sechser. Dass dies keine Option für die zweite Halbzeit war, war von vornherein klar, weil Busqeuts ein eher langsamer Spieler ist, während Sevilla in der Offensive sehr viel Geschwindigkeit zu bieten hat. Meistens wird in solchen Situationen ein Stürmer ausgewechselt, aber auch das schied aus, weil Neymar, Messi und Suárez einfach zu wichtig sind. Messi kann jederzeit ein Spiel entscheiden, sei es mit Pässen, Toren oder Dribblings, Neymar kann für Entlastung sorgen und mit seinen Dribblings die gegnerische Defensive aufbrechen und Suárez ist die Anspielstation ganz vorne drin, der immer für ein Tor gut ist und natürlich auch extrem wichtig gegen den Ball ist.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Dreierkette gewesen, aber das wäre bei Sevillas Offensivqualitäten sehr riskant gewesen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Piqué es nicht gleichzeitig mit Gameiro und dem ebenfalls physisch starken, aufrückenden Iborra aufnehmen kann. Iniesta auszuwechseln hätte ebenso keinen Sinn gemacht, weil gerade er jemand ist, der den Ball halten kann und damit der Defensive Zeit zum Durchatmen bescheren kann, was gerade in Unterzahl unglaublich wichtig ist.
Also nahm Luis Enrique Ivan Rakitić aus dem Spiel, was alles andere als eine leichte Entscheidung war. Der Kroate ist vor allem im Spiel gegen den Ball mit seiner Physis und seiner Arbeitsrate extrem wichtig, um Balance ins Spiel der Blaugrana zu bringen. Ihn auszuwechseln ist sehr riskant, speziell weil kein anderer Spieler, der auf dem Platz stand, ähnliche Fähigkeiten besaß, was sich dann auch bemerkbar machte.
Nach der Pause spielte Barça gegen den Ball in einem 4-4-2, in welchem neben Neymar abwechselnd Messi und Suárez ins Mittelfeld rückten, um die Mannschaft kompakter zu machen. Dennoch war es nun für Sevilla vergleichsweise einfach auf einer Seite Überzahl zu erzeugen und dann den Ball dorthin zu spielen, wo Platz frei wird. Dies geschah in der gezeigten Situation, die mit einem Schuss von Banega endet, den Piqué noch an den Pfosten lenken konnte.
Dass Luis Suárez nur kurz später verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, war auf der einen Seite natürlich extrem bitter, doch es hatte auch etwas Gutes. Nun konnte Luis Enrique Rafinha bringen, wodurch man wieder einen weiteren Mittelfeldspieler im Team hatte, der gegen den Ball sehr gut arbeitet. Barças 4-4-2 wurde nun noch klarer und man stand wieder kompakter und zwang Sevilla immer wieder auf die Flügel, was Emerys Mannschaft gerne annahm, weil das sowieso ihr Plan war. Sevilla brachte sehr viele Hereingaben in den Strafraum von Marc-André ter Stegen, doch bis auf wenige Ausnahmen konnte die Mannschaft von Luis Enrique diese ganzen Angriffsversuche gut abwehren, was auch daran lag, dass sich jeder Spieler – allen voran Piqué, Busquets und Mathieu – in jegliche Schüsse hineinwarfen.
Die Entscheidung
Nach einem schlampigen Ballverlust in der Nachspielzeit gelang es Messi Neymar freizuspielen, doch der Brasilianer wurde von Banega gefoult. Zurecht flog der Argentinier vom Platz und beide Teams spielten nun wieder in Gleichzahl. Dadurch änderte sich natürlich das gesamte Spiel. Es war nun wieder Barça, die den Ball besser in den eigenen Reihen halten konnten und für etwas mehr Ruhe sorgen konnten. Von Sevilla kam in der Verlängerung sehr wenig, speziell nach Jordi Albas Tor. Die Blaugrana verteidigte gut und verstand es extrem gut danach den Ball zu halten und viele Fouls zu ziehen, was wertvolle Zeit einbrachte.
Vor dem Tor wurde Messi im Zentrum nicht energisch gestört, was aber zu einer solchen Phase des Spiels normal ist, da den Spielern die Kräfte mehr und mehr ausgehen. Zudem verhindert man durch ein eher abwartendes Zweikampfverhalten ein zu leichtes Vorbeikommen durch ein Dribbling von Messi. Auf außen zog Neymar Coke, der mittlerweile als Rechtsverteidiger spielte, mit sich nach hinten, wodurch sich viel Platz für Jordi alba auftat. Vitolo bemerkte das zu spät und ging den Weg von Alba zu spät mit, weshalb er ihn nicht mehr am Schuss hindern konnte.
Eventuell unterschätzte Vitolo auch Albas Geschwindigkeit, da er das Spiel auf dem anderen Flügel begonnen hatte und es die meiste Zeit mit dem langsameren Dani Alves zu tun hatte. Nichtsdestotrotz muss er da schneller schalten und schneller die Lücke zu machen, auch wenn solche weiten Wege gerade in der Verlängerung besonders weh tun und man da als Spieler weder mental noch körperlich frisch ist.
Fazit
Zunächst war es ein ausgeglichenes Spiel, dann gab es klare Vorteile für Sevilla, da Barça in Unterzahl spielen musste. Die Blaugrana hielt extrem gut dagegen, doch es fehlte zuweilen die Sauberkeit in den eigenen Aktionen. Man verlor zu viele Bälle und vor allem verlor man zu viele Bälle viel zu schnell. Gerade deshalb war Iniesta, der mit Piqué zusammen der beste Spieler auf dem Platz war, so wichtig. Immer wieder gelang es ihm den Ball zu halten, egal wie viele Gegenspieler ihn bedrängten. Dadurch konnte die Defensive immer wieder verschnaufen und Kräfte sammeln für die nächsten Angriffswellen von Sevilla. Auch Neymar tat sich hervor und übernahm sehr viel Verantwortung. Er wollte andauernd den Ball und zeigte viele gute Läufe, durch die er ebenfalls der Defensive eine Pause verschaffte, aber auf Sevillas Abwehr einige Male aufbrach. Das sorgte auch dafür, dass Sevilla nicht mit zu vielen Spielern angriff, weil sie immer wussten, dass Barça weiterhin jederzeit ein Tor erzielen kann.
Es war vor allem ein Sieg des Charakters und der Mentalität. Es lief alles gegen die Katalanen und dennoch konnten sie sich durchsetzen und das Double holen. Es war ein absolut packendes Copa-Finale und eine heroische Leistung von Barça. Spielerisch gab es schon bessere, aber kämpferisch und von der Einstellung her war es absolut bewundernswert, was die Mannen von Luis Enrique im Vicente Calderón zeigten.