Der FC Barcelona steht im Halbfinale der Copa del Rey. In einer spannungsgeladenen Partie haben sie einem stark aufspielendem Gegner ein Unentschieden abgeknüpft, der für seine Leistung Anerkennung verdient. Genau wie der FC Barcelona.
El Clasico, eine süß bitterliche Versuchung. Leidenschaft, Prestige, Kampf, Aufopferung, Euphorie und Schmerz werden damit assoziiert. Dieser ohnehin bedeutungsschwangere Begriff ist seit gestern aber um eine weitere Dimension erweitert. Ein unfassbares Drama spielte sich im Camp Nou ab, vorgetragen von zwei Mannschaften, die sich nichts herschenkten und über ihre Grenzen hinausgingen. Es blieb kaum Zeit zum Durchschnaufen an diesem Abend, der so reich an Ereignissen und Geschichten war wie der dreißigjährige Krieg in seiner Gesamtheit. Diese Schlacht hat der FC Barcelona für sich entschieden. Ein 2:2 sicherte den Einzug ins Halbfinale. Doch auch der Gegner darf erhobenen Hauptes heimkehren, hat er doch maßgeblichen Anteil an etwas, was man nicht mehr bloß als Fußballspiel abtun kann: einem Erlebnis.
Von 0-200 in wenigen Sekunden
Die Anfangsphase der Partie war geprägt von dem erwartet starken Pressing der Gäste, die diesmal offensiv auftraten und bei denen sich sowohl Kaka als auch Özil in der Startaufstellung wiederfanden. Bereits einen Augenblick nach Wiederanpfiff hätten die Madrilenen durch Higuain in Führung gehen müssen, der völlig frei vor Pinto auftauchte, den Ball jedoch am Tor vorbeischob. Dem ging ein grob fahrlässiges Verhalten von Pique voraus, der ohne Not ein an ihn gerichtetes Zuspiel nicht sofort annahm und den Ball vorbeilaufen ließ. Unmittelbar darauf ein Freistoß von Alonso auf Higuain, doch Pinto ist zur Stelle, wenngleich auf Abseits entschieden worden ist. Und der Druck des Titelverteidigers der Copa del Rey hielt an. Es waren nicht einmal zehn Minuten gespielt, als Özil C. Ronaldo bedient, dessen Schuss mangels Präzision jedoch das Tor verfehlt. Der FC Barcelona stand zu Beginn mächtig unter Druck und war nicht in der Lage, das wie entfesselt aufspielende Madrid zu bändigen. In der 11. Spielminute kam C. Ronaldo aus ähnlicher Position wie beim Tor im Hinspiel zum Schuss, doch diesmal war der an diesem Abend aufmerksame Pinto zur Stelle. Was für ein turbulenter Auftakt für die Katalanen
Der FC Barcelona antwortet
Erst nach einer Viertelstunde kam das Spiel ein wenig zur Ruhe und die Blaugrana vor das Tor ihres Widersachers. Fabregas störte den Gegner im Spielaufbau und eroberte den Ball. Im Verlauf des Konterspiels wurde Messi angespielt, der diesen aussichtsreichen Angriff jedoch mit einem Haken und einem harmlosen Schuss zunichtemachte. Sanchez war auf links mitgelaufen und war völlig ungedeckt. Auf der Gegenseite hatten die Katalanen Glück, als ein Distanzschuss von Özil an die Unterkante der Latte prallte und vor der Linie aufkam. Nach 27 Minuten spielte Pinto einen fatalen Pass vor die Füße von Higuain, bügelte seinen Fehler allerdings durch eine gute Rettungstat wieder aus. Kurz darauf musste Iniesta das Spielfeld verletzungsbedingt verlassen. Es besteht Verdacht auf einen Muskelfaserriss. Dieser herbe Verlust sollte sich später auch im Spiel der Blaugrana bemerkbar machen. Zunächst aber zeigten sich die Spieler davon unbeeindruckt und inszenierten in der Hälfte der Madrilenen ein traumhaftes direktes Kurzpassspiel, deren Ende mit einem herrlichen Pass in die Tiefe auf Sanchez eingeläutet wurde. Doch Pepe war zu Stelle und klärte die Situation. Der FC Barcelona erhöhte gegen Ende der ersten Hälfte die Schlagzahl und sollte noch vor der Pause belohnt werden.
Messi dreht auf
Angeführt von Lionel Messi trug der FC Barcelona kurz vor der Pause einen Angriff vor, dem die Madrilenen nichts entgegenzusetzen hatten. Der Argentinier dribbelte an der Defensive von Real Madrid vorbei wie an Trainingshütchen und spielte an der Strafraumkante einen Pass in die Nahtstelle zum eingewechselten Pedro, welcher frei vor dem Tor zur Führung für den FC Barcelona einschob. Der vermeintliche knockout des Gegners ereignete sich aber in der Nachspielzeit. Messi setzt auf links zu einem Sololauf an, lässt alle Madrilenen stehen und wird von Diarra mit einem gelbwürdigen Foul gestoppt. Warum es hierfür keine gelbe Karte gab, vermag nur der Schiedsrichter zu wissen. Diarra hatte schon zuvor eine gelbe Karte erhalten und müsste folgerichtig vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden. Trotz dieser Fehlentscheidung gab es eine Bestrafung für das regelwidrige Vorgehen. Der Freistoß wurde entschärft und verließ den Strafraum, wurde jedoch sofort von Alves über einen Gewaltschuss zurück und ins Tor befördert. Was für ein Hammerschuss von Alves zum glücklichen 2:0.
Verkehrte Vorzeichen
Trotz eines besseren Chancenverhältnisses lagen die Madrilenen zur Halbzeit zurück. Sie waren einfach nicht abgeklärt genug vor dem Tor und sahen sich eines Gegners gegenüber, der seine Chancen eiskalt verwertete. In der zweiten Halbzeit sollte sich das Bild umkehren. Der FC Barcelona kontrollierte das Geschehen nach Belieben, spielte sich in einen Rausch und war sich, dem äußeren Anschein nach, sehr selbstsicher. Real Madrid hingegen rannte vorerst nur dem Ball hinterher und fand keine Mittel, um den Katalanen den Ball abzunehmen. In dieser Phase des Spiel investierten die Katalanen sehr viel in das Spiel und trugen über Messi zwei aussichtsreiche Angriffe vor, die jedoch daran scheiterten, dass Messi den Ball nicht zum besser positionierten Gegner abspielte, sondern selbst sein Glück wagte. Im Bewusstsein der eigenen Überlegenheit schlichen sich ins Spiel der Katalanen Nachlässigkeiten ein, die den Gegner unnötig stark machten und Hoffnung aufkeimen ließen. Während das Tor von Ramos angesichts eines vertretbar gepfiffenen Foulspiels noch glimpflich ausging, sollten die darauffolgenden Missstände im katalanischen Spiel nicht folgenlos bleiben. Die Hauptrolle dabei spielten die gestandenen Innenverteidiger, namentlich Pique und Puyol. Letzterer ließ C.Ronaldo zu viel Raum, der ihm nach Zuspiel von Özil entwischt ist und den Anschlusstreffer für seine Mannschaft besorgte. Nur drei Minuten später spielt Pique einen hohen Ball zum Gegner, der ihn postwendend zurück befördert, wo Benzema bereits auf ihn wartet. In halblinker Position läuft er auf das Tor zu, überlupft Puyol wie einen Anfänger und markiert mit einem satten Schuss den Ausgleichstreffer.
Der FC Barcelona kämpft bis zum Umfallen
Wer sodann glaubte, der FC Barcelona werde nun überrollt, sah sich getäuscht. Die Blaugrana nahm den Kampf wieder auf und stemmte sich mit all ihrer Kraft gegen das Ausscheiden aus der Copa del Rey – und das mit Erfolg. Mit Ausnahme eines weiten Passes auf Benzema, dem Puyol allerdings den Ball ablief, konnte Real Madrid nicht mehr entscheidend vor das gegnerische Tor rücken. Mit viel Laufaufwand und Einsatzbereitschaft wurde der aufmüpfige Rivale von dem Tor fern gehalten. Auf der anderen Seite konnte Real Madrid die offensive Schlagkraft des FC Barcelona nur durch Foulspiele im Zaum halten. Der FC Barcelona war dem dritten Tor näher als die Gäste aus Madrid. Nachdem Messi von Ramos regelwidrig vor dem Strafraum aufgehalten wurde, gab es einen Freistoß, den derselbe nur hauchdünn am Tor vorbeizirkelte. Wenig später ging ein guter Schuss des Weltfußballers nur knapp am rechten Pfosten vorbei. Die klarste Gelegenheit zur endgültigen Entscheidung hatte aber Pedro, der völlig frei vor dem Tor zum Kopfball kam. Wie Pedro diese Chance vergeben konnte, bleibt schleierhaft. So zog der FC Barcelona schlussendlich nach einer aufreibenden Partie ins Halbfinale der Copa del Rey ein. Die Zerfahrenheit der zweiten Halbzeit hat gezeigt, dass Iniesta unentbehrlich ist. Xavi vermochte allein das Spiel nicht zu beruhigen. Aber am Ende zählt nur eins: Es war ein denkwürdiges Aufeinandertreffen zweier herausragender Mannschaften, das noch lange in Erinnerung bleiben wird. Visca el Barca!
Raphael L.