Bildquelle: fcbarcelona.com
“Wir können nicht nach Córdoba fahren und erwarten, dass wir das Spiel mit Leichtigkeit gewinnen”, mahnte Tito Vilanova vor der Copa del Rey-Partie in der Ferne. Nur wenige blickten mit Besorgnis auf das Spiel in Córdoba, der FC Barcelona würde die andalusischen Träume binnen weniger Minuten zu Märchen degradieren und zeigen, wer der Herr im Haus ist. Jene Culés, die mit dieser Erwartung den Fernseher eingeschaltet und sich entspannt zurückgelehnt haben, dürften kurz nach Anpfiff ob des Spielbildes in Schockstarre verfallen sein. Córdoba präsentierte sich furchtlos gegen den haushohen Favoriten aus Katalonien und konnte sich zu Beginn sogar ein Übergewicht erarbeiten. Nichts war zu sehen von der zarten und anmutigen Spielweise, die uns in dieser Saison verzaubert hat. Nur ein leises Echo ist verblieben, ein Nachklang, der von dem beinahe unerschöpflichen Potenzial der Blaugrana zeugt. Z.B. als Messi mit einem beherzten Solo das halbe Spielfeld überbrückte und ratlose Statisten zurückließ. Der FC Barcelona wankte in der Anfangsphase und es vergingen viele qualvolle Minuten, bis die Mannschaft ihrem Spiel Struktur verleihen konnte.
Córdoba mit Angriffspressing
Das Startaufgebot gegen Córdoba vermittelt deutlich, wie Vilanova dem Spiel gegen Córdoba gegenüberstand. Er erwartete einen schweren Gegner und hat dementsprechend auf zahlreiche Spieler der ersten Garde zurückgegriffen. Messi, Xavi, Pedro, Alba, Piqué und Mascherano fügten sich in die Startformation und sollten ein gutes Ergebnis in der Copa del Rey-Auswärtspartie gewährleisten. Die Nachbetrachtung bringt zum Vorschein, dass die Entscheidung des Trainers, auch im Hinblick auf die schwere Partie gegen Atlético nahezu mit Bestbesetzung anzutreten, goldrichtig war. Man mag sich nicht auszumalen, welchen Verlauf das Spiel gestern genommen hätte, würde Vilanova das Spiel auf die leichte Schulter nehmen und jüngere Akteure auf das Spielfeld lassen. Glücklicherweise versteht der Guardiola-Nachfolger sein Handwerk und überlässt nichts dem Zufall. Nur wenige Spieler durften daheim bleiben und Kraft schöpfen für das Spitzenduell der Primera División. Vertreten wurden die Platzhirsche von Song, Thiago, Alves und Pinto, die ihre Aufgaben mit zunächst mäßigem Erfolg bewältigten.
Nicht zum ersten Mal wurde der FC Barcelona von einem scharfen Angriffspressing in Empfang genommen. Kaum eine andere Mannschaft der Welt unternimmt den Versuch, auch bei massiver Gegenwehr im ersten Spielfelddrittel eine spielerische Lösung anzustreben. Demzufolge erscheint ein hohes Pressing gegen den FC Barcelona aus der Sicht des Gegners besonders lohnend. Man sollte allerdings meinen, dass die Katalanen Mittel und Wege gefunden haben, um sich des gegnerischen Pressings zu entziehen. In der Vergangenheit gelang es der Mannschaft immer wieder, auch das intensivste Pressing abzuschütteln und das Spielgeschehen in weniger gefährliche Regionen zu verlagern. Das hat Real Madrid beispielsweise dazu veranlasst, nur noch mit Bedacht auf diese nicht risikoarme Spielart zurückzugreifen. In jüngster Zeit allerdings scheint dem FC Barcelona die Fähigkeit, sich aus den gegnerischen Fängen zu befreien und das Spiel zu diktieren, abhandengekommen zu sein. Erst als die Spieler Córdobas müde wurden, bekamen die Katalanen die Zeit und den Raum, um ihr Spiel aufzuziehen. Davor gab es kein Tiki Taka, keine glamourösen Kombinationen und erst recht keine Struktur im Spiel.
Schwierigkeiten beim Aufbauspiel
Desgleichen gab es kein schnelles Umschaltspiel, weil in die Verteidigungsstrategie des FC Barcelona nahezu die gesamte Mannschaft eingebunden ist und die Wege bis zum gegnerischen Tor sehr weit sind. Beim Pressing des Gegners lassen sich auch die Flügel sehr weit fallen, um Anspielbereitschaft zu signalisieren und am Aufbauspiel zu partizipieren. Unter diesen Voraussetzungen hat es der Gegner verhältnismäßig einfach. Mit einem hohen Pressing kann er den FC Barcelona vom eigenen Tor fernhalten, das Spiel in die Hälfte des Gegners verlagern und muss nur ein geringes Risiko fürchten, ausgekontert zu werden. Dies freilich nur unter der Bedingung, dass es den Katalanen nicht gelingt, die Pressinglinie zu umspielen. Grundsätzlich verfügen sie über das Spielermaterial, um sich eines gegnerischen Angriffspressings zu erwehren. Die Spieler brauchen nur wenig Zeit am Ball, um die richtige Entscheidung zu treffen und damit eine Fortsetzung des Aufbauspiels zu gewährleisten.
Gleichwohl hat das Spiel gegen Betis gezeigt, dass das Team gegenwärtig mit Problemen zu kämpfen hat, wenn der Gegner hoch verteidigt. Die erforderliche Harmonie im Zusammenspiel, eine unabdingbare Säule im Spiel auf engstem Raum, fehlt im Moment – die Passmuster stimmen nicht und die Laufwege sind nicht optimal. Missverständnisse im Aufbauspiel sind damit zurzeit unvermeidbar und der FC Barcelona tut sich demzufolge auch schwerer als gewohnt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Barcelona in solchen Situationen, in denen das Aufbauspiel erheblich behindert ist, tatsächlich auf eine spielerische Lösung zurückgreifen muss. Es gibt auch andere Ansätze, um Gefahrensituationen abzumildern und die eigene Spielweise zur Geltung zu bringen. Die gepresste Mannschaft könnte ins Mittelfeld vorrücken und versuchen, den ersten oder zweiten Ball zu erobern. Sofern die Spieler den Kampf um den Ball annehmen, könnten sie ihre naturgemäße Unterlegenheit bei hohen Bällen vergessen machen. Es reicht schon aus, wenn man den Gegner beim Kopfball behindert, sodass diesem kein kontrolliertes Zuspiel mehr gelingen kann. Sodann könnten die Spieler versuchen, den zweiten Ball für sich zu vereinnahmen.
Der Nachteil dieser Vorgehensweise besteht in dem Risiko, dass man den Ball herschenkt. Das entspricht nicht dem Selbstverständnis des Vereins, könnte aber in bestimmten Situationen eine Überlegung wert sein, wenn man sich die Vorteile vergegenwärtigt. Zum einen würde sich ein eventueller Ballverlust in torentfernteren Regionen vollziehen und das Risiko damit minimieren. Zum anderen bestünden bei Ballgewinn andere Optionen in der Vorwärtsbewegung. Eine andere Herangehensart ist dadurch charakterisiert, den Ball hinter die Mittellinie zu spielen und sofort zum Pressing/Gegenpressing anzusetzen. Damit würde das Team von Vilanova den Spieß umdrehen und seinerseits Druck auf den Gegner aufbauen.
Wie dem auch sei, mit der Zeit bekam der FC Barcelona das Spiel immer besser in den Griff. Das lag vornehmlich an der zunehmenden Müdigkeit des Gegners, die dem aufwendigen Angriffspressing geschuldet ist. In der zweiten Halbzeit konnten die Gastgeber dem FC Barcelona nur noch wenig entgegensetzen. Sie praktizierten auch kein unbedingtes Pressing mehr, sondern beschränkten sich auf eine situative Inanspruchnahme dieser Spielweise, um mit ihren Kräften zu haushalten. Mit dieser Vorgehensweise konnten sie den Katalanen allerdings nicht mehr gefährlich werden. Vielmehr mussten sie sich in Acht nehmen, nicht zu viele Gegentore zu kassieren. Das zweite Gegentor war deshalb nur folgerichtig und verschafft der Blaugrana eine hervorragende Ausgangsposition für das Rückspiel.
Abschließend noch eine kleine Bilderschau:
Hier kann man schön erkennen, wie Córdoba die Katalanen im Aufbauspiel früh stört. Pinto zeigt an, Alves möge den Ball schnell nach vorne spielen. Viel Entscheidungsspielraum bleibt dem Brasilianer in dieser Situation nicht, der Gegenspieler erreicht ihn in wenigen Sekunden und seine ballnahen Anspielstationen sind überschaubar. Der weite Pass auf Mascherano und Alba ist keine Option, zumal sich in deren unmittelbaren Nähe ebenfalls ein Gegenspieler tummelt.
Das System von Córdoba präsentierte sich leicht asymmtrisch. Der äußerste rechte Mittelfeldspieler war offensiver positioniert als der linke und bildete mit den zwei Angreifern die Angriffsspitze der Mannschaft.
Warum nicht? Piqué spielt einen langen hohen Ball in den Lauf von David Villa, der allerdings Probleme mit der Annahme hat und den Ball daher nicht optimal verwerten kann. Nur einer von vielen Momenten, in denen Piqué überzeugt hat. Die Abwehrreihe von Córdoba steht sehr hoch und verleitet zu Flanken hinter ihren Rücken.
Die zweite Halbzeit: Córdoba muss dem hohen Tempo aus Halbzeit eins Tribut zollen und kann das Pressing nicht mehr aufrecht erhalten. Auch in dieser Situation wird kurz überlegt, ob ein langer Ball auf Pedro sinnvoll erscheint. Er wird letztlich unterlassen, da Pedro nicht aus der Tiefe kommt und daher zu wenig Tempoo aufgenommen hat. Einen eventuellen langen Pass würde er nicht mehr erreichen.