Clásico-Brennpunkte | Unorthodoxes Barça erobert clever im Atlético-Stil das Bernabéu

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Von Verletzungssorgen geplagt triumphiert der FC Barcelona beim Copa-Hinspiel gegen Real Madrid auf unorthodoxe Weise. Xavi macht aus der Not eine Tugend und kann den kürzlichen Abwärtstrend stoppen. Die Brennpunkte zu Barças 1:0 im Pokal im Bernabeu.

Barças offensive Kreativität liegt im Lazarett

Es ist so offensichtlich wie ärgerlich: Lewandowski ist genauso nicht zu ersetzen wie Pedri oder Dembélé. Musste Xavi schon in Manchester und Almería ohne die beiden Letztgenannten auskommen, war sein Kader zum Copa-Clásico noch dünner – Christensen fiel kurzfristig aus, wurde aber von Alonso hervorragend vertreten. Hatte man vor einem Jahr mit Luuk de Jong, Pierre-Emerick Aubameyang und Memphis Depay zwar weniger Qualität im Kader, konnte hingegen immer ein vernünftiger Mittelstürmer aufgestellt werden. Die formschwachen Ansu Fati und Ferran Torres konnten ihre Chance auch dann nicht nutzen, als ihre Qualitäten dringend benötigt wurden – Tore im Santiago Bernabéu sind Balsam für die Seele eines jeden Barça-Spielers. Stattdessen verhinderte Ansu sogar eines.

Also machte Trainer Xavi aus der Not eine Tugend und konzentrierte sich – wenn auch nicht komplett freiwillig – auf die Defensive. 35 Prozent Ballbesitz (der niedrigste Wert seit 2008!), halb so viele Pässe wie Real (309 zu 598), 4 zu 13 Torschüsse – die Zahlen sprechen eine klare Sprache und klingen definitiv nicht Barça-like.

Doch wer gewinnt, hat Recht, und Xavi wusste mit einem personell stark geschwächten Kader im Bernabéu ohne Gegentor zu gewinnen. So schwach Barça mit Ball und in der Offensive war, umso aufmerksamer und herausragender war das Abwehrbollwerk, das phasenweise an beste Atlético-Madrid-Zeiten erinnern ließ. Marcos Alonso wurde sogar Barçawelts Man of the Match. Überhaupt: die Blancos konnten nicht einen Schuss auf das Tor von Marc-André ter Stegen abgeben. Das letzte Mal, als die Madrilenen im Santiago Bernabéu ohne Torschuss blieben, ist 15 Jahre her. Böse Zungen würden gar behaupten: Sogar eine B-Elf Barças genügt, um Real Madrid zu schlagen.

Eine wegweisende Woche endet glücklich

Nach dem Ausscheiden in der Zwischenrunde der Europa League gegen Manchester United setzte es bekanntlich eine überraschende Auswärtsniederlage in Almería. Dort hätten die Katalanen den Vorsprung auf Real Madrid, das im Derbi Madrileño nur 1:1 spielte, auf zehn Punkte ausbauen können – durch die Niederlage beträgt der Abstand stattdessen “nur” noch sieben Punkte.

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Entgegen der Befürchtungen fügten die Blancos im Copa-Clásico den Katalanen nicht den dritten herben Dämpfer binnen einer Woche zu. Xavis Truppe dürfte nun viel Selbstvertrauen getankt haben, ehe im Rückspiel am 5. April im heimischen Camp Nou all die so schmerzlich vermissten Ausfälle namens Lewandowski, Pedri, Dembélé und Christensen wieder fit sein werden. Dann bleiben Xavi noch 90 Minuten + x, um den Finaleinzug klarzumachen und das “nationale Triple” aus Meisterschaft, Pokal und Superpokal anzupeilen.

Barcelonas Xavi wird langsam zum “Big Game Coach”

Auf internationalem Parkett präsentiert der FC Barcelona sich bekanntlich nicht mehr so souverän, wie noch in der letzten Dekade. Flog man jüngst gegen Manchester United aus der Europa League, setzte es in der Gruppenphase der Champions League 2022 gegen Inter Mailand und Bayern München herbe Niederlagen (bzw. ein Remis, das sich wie eine Niederlage anfühlte). Trainer Xavi hat keine gute Bilanz gegen Topteams aufzuweisen und das trotz namhafter Einkäufe.

Entgegen dieser schmerzlichen Erfahrungen steht nun aber eine herausragende Clásico-Bilanz (als Trainer) zu Buche: sechs Clásicos, davon vier Siege. In der Supercopa wie auch im Copa-Halbfinale hat der 43-Jährige die Madrilenen eiskalt ausgecoacht. Zeitweise wirkten die Blancos arg verwirrt und schlugen planlos Flanken – auf eine ähnliche Art und Weise wollten die Katalanen selbst noch vor wenigen Tagen in Almería zu einem Erfolg kommen.

So sehr Xavis Arbeit durch hohe Transferausgaben und eine schwache Konkurrenz (in der Liga) abgewertet werden kann, so verblüffend ist doch der jüngste Erfolg im Bernabéu. War Madrids Trainer Carlo Ancelotti nicht klar, dass die Katalanen sich mit derartigen Ausfällen primär auf das Verteidigen konzentrieren werden? Sind die Blancos über ihre eigene Arroganz gestolpert? Selten gewinnt eine Mannschaft, ohne irgendetwas dafür zu tun. Sollte Barcelona nach dem Copa-Rückspiel am 5. April in das Finale einziehen, kann man guten Gewissens festhalten: die Entwicklung ist nicht nur bei den Spielern, sondern auch beim Trainer selbst sichtbar. Xavi avanciert womöglich schleichend doch noch zu einem Trainer, der auch gegen die Großen bestehen kann. Zumindest gegen Real Madrid – den Größten der Großen in der Champions League.

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Clemens Wustmann
Clemens Wustmann
Blaugrana im Herzen seit 2001
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