In einem teilweise wilden Spiel setzte sich Barcelona dank Lionel Messi gegen Liverpool mit 3:0 durch. Dabei war Liverpools hohes Pressing die größte Herausforderung für Ernesto Valverde. Wie Barça am Ende so deutlich gewinnen konnte und wie Messi in perfekte Situationen für seine Dribblings kam, erläutert unsere taktische Analyse.
Barça gegen das Pressing
Am Mittwochabend war es soweit. Flutlicht, Champions-League-Hymne und zwei der wohl besten Mannschaften im europäischen Fußball. Zwar spielte der FC Barcelona zu Hause, allerdings war der Respekt vor Liverpool groß. Die Mannschaft von Jürgen Klopp ist für ihre blitzschnellen, gnadenlosen Konter und für ihr überfallartiges Umschaltspiel bekannt und viele Fans erwarteten einen offenen Schlagabtausch. Den offenen Schlagabtausch gab es nur punktuell, weil Ernesto Valverde sein Barça viel vorsichtiger und defensiver als sonst agierten ließ.
Denn eine der größten Herausforderungen gegen Jürgen Klopps Liverpool ist es, das starke Pressing der Reds zu überspielen. Warum das Pressing so schwierig zu überspielen ist, zeigte sich bereits nach wenigen Minuten. Klopps Team läuft gezielt an, versteht es, Dynamiken richtig einzuschätzen und den Nebenmann stets zu unterstützen. Beispielsweise gibt es bei Liverpool verschiedene Pressing-Auslöser, die ein aggressiveres Anlaufen auslösen.
Dabei setzt Liverpool stets auf ein 4-3-3, wobei man mit zwei relativ flachen Dreierketten agiert. Die Aufgabe der Flügelspieler ist es, den Halbraum zuzustellen und die Innenverteidiger im Bogen anzulaufen. Gerade bei Sadio Mané konnte man oft sehen, wie er Piqué von außen anlief, um den spanischen Innenverteidiger auf seinen schwachen Fuß zu lenken. Währenddessen verhinderte Mané durch seinen Deckungsschatten ein Anspiel auf Sergi Roberto.
Aufgrund des hohen Drucks der Reds musste ter Stegen regelmäßig mit in den Spielaufbau eingebunden werden. Der deutsche Torhüter wurde dabei des Öfteren direkt angelaufen und musste unter Druck Seitenwechsel auf die Außenverteidiger spielen. Seine Beidfüßigkeit wurde zum Vorteil, auch wenn ter Stegen nicht jeden Ball präzise zum Mann bringen konnte.
Barças Spielaufbau gegen das hohe Pressing der Reds. Messi bietet sich im Zehnerraum (gelb) an.
Im tieferen Spielaufbau setzten die Katalanen noch auf ein 4-3-3. Die Außenverteidiger machten das Spiel breit, hielten allerdings Kontakt zu Piqué und Lenglet. Sergio Busquets bot sich regelmäßig zentral an und wurde vom tiefer als sonst agierenden Rakitic unterstützt. Arturo Vidal hingegen bot sich weiter vorne an. Liverpool ließ sich so recht weit herausziehen, die Mittelfeldspieler versuchten Barças Zentrale unter Druck zu setzen. Der Zehnerraum ließ sich dabei nicht immer kontrollieren.
In der Grafik kann man gut erkennen, wie die Reds versuchen, die ersten beiden Linien der Katalanen zuzustellen. Allerdings schafft Messi durch sein fallenlassen eine Überzahl im Zentrum. Liverpools fehlende Kompaktheit ermöglicht es dem Argentinier, den Ball frei im Zentrum zu erhalten. Spielte sich der FC Barcelona durch die beiden ersten Pressinglinien, konnte Messi mit seinen Dribblings viel Schaden anrichten.
Liverpool unkompakt – Barça erspielt sich Überlegenheit
Gerade wenn das Liverpooler Pressing überspielt werden konnte, ergaben sich viele Räume. Insbesondere Messi füllte diese Räume auf, bewegte sich vom rechten Halbraum weit ins Zentrum und versuchte Überzahl zu schaffen. Zusammen mit der Pressingresistenz von Busquets konnten die beiden La-Masía-Schüler einige enge Situationen brillant lösen und gefährliche Gegenangriffe einleiten.
Gelang kein schneller Konter, versuchte Barça ab der 15. Minute mehr Ruhe ins Spiel zu bringen. Während die Anfangsphase von Hektik und vielen Ballverlusten geprägt war, kontrollierte Valverdes Team nach einer Viertelstunde das Spiel etwas besser. Dabei kippte Busquets wie so oft zwischen die Innenverteidiger ab, während Vidal und Rakitic die Räume zwischen der Angriffs- und Mittelfeldlinie der Reds besetzten.
Dementsprechend ergab sich ein 3-4-3 mit einer klaren 3-2 Staffelung im Zentrum. Während Sergi Roberto und Jordi Alba die Breite gaben und besonders Alba immer wieder in die Tiefe startete, rückten Coutinho und Messi beide weiter ins Zentrum. Allerdings hatten die beiden Südamerikaner etwas unterschiedliche Rollen. Coutinho bewegte sich in den Halbraum, bot sich zwischen Innen- und Außenverteidiger des Gegners an oder schob vereinzelt zum Flügel. Dabei hatte der Brasilianer wohl die Aufgabe, die gegnerische Abwehrlinie zu binden und sich gelegentlich fallen zu lassen, um Raum für Alba zu schaffen.
Liverpool lässt den Zehnerraum (gelb) offen, Barcelona attackiert die Tiefe (rot).
Auch Suárez hatte die Aufgabe die Abwehr der Reds zu binden und offene Räume zu attackieren. Wie immer bewegte sich der Uruguayer dabei oft horizontal, war im Abseits zu finden und attackierte offene Räume. Ein ständiger Gefahrenherd für die gegnerische Abwehr.
Letztlich sorgten Coutinho und Suárez dafür, dass Liverpools Verteidigung gebunden wurde, während die Sechser der Reds weiter nach vorne schoben, um in die aktive Balleroberung übergehen zu können. Es passierte bereits häufiger in dieser Saison, dass die Reds so ihre vertikale Kompaktheit verloren. Zwischen Mittelfeld und Abwehr entstand eine größere Lücke, in die sich Messi bewegte.
Der Argentinier blieb dabei nicht im Halbraum, sondern bewegte sich weit ins Zentrum. Weder James Milner noch Andy Robertson trauten sich den Kapitän zu verfolgen, da sich sonst Lücken im Verteidigungsverbund aufgetan hätten. Zusammen mit der guten Positionierung von Suárez, erhielt Messi genug Raum, um aufzudrehen und seine gefährlichen Dribblings zu starten.
Dank Suárez, der die Innenverteidiger auf der letzten Linie beschäftigt, attackiert niemand Messi im Zehnerraum.
Dabei positionierte sich Messi des Öfteren auf derselben vertikalen Linie wie Suárez. Dies führte zu Problemen bei Liverpool. Linksverteidiger Robertson konnte den Argentinier nicht so weit verfolgen, das Mittelfeld stand höher und beide Innenverteidiger wurden von Suárez beschäftigt. So konnte sich Barça eine Überlegenheit erarbeiten, Messi aufdrehen und entweder mit schnellen Dribblings, Schnittstellenpässen oder Spielverlagerungen für Gefahr sorgen.
4-4-2 gegen den Ball – Chancen für Liverpool
Durch die gute Ballzirkulation und den größeren Fokus auf Konter, waren die Katalanen gegen den Ball meist in einer guten Position, um schnell ins Gegenpressing überzugehen. Das Gegenpressing ist von fundamentaler Bedeutung, damit Konter bereits im Keim erstickt werden können.
Wenn die Reds aus dem geordneten Ballbesitz heraus angriffen, formierte sich Valverdes Team im 4-4-2. Messi und Suárez hatten dabei kaum echte Defensivaufgaben, lauerten meist weiter vorne und sparten sich die Kräfte für den Angriff.
Coutinho hingegen rutschte auf die linke Seite, während Vidal die rechte Seite besetzte. Barça versuchte durch die beiden Viererketten kompakt zu stehen und bei Bedarf Druck auszuüben. Rakitic orientierte sich normalerweise an Liverpools Sechser Fabinho. Dementsprechend schob der Kroate etwas höher, während Busquets eine etwas tiefere Position einnahm. Bei Bedarf konnte die Nummer fünf aber Naby Keita pressen, später dann Jordan Henderson/Fabinho.
Barça verfolgte aber keineswegs dauerhaft die Gegenspieler, sondern verteidige den Raum wesentlich intelligenter. Immer wieder rückte man passend heraus, doppelte oder leitete den Gegner in unvorteilhafte Räume. Jedoch offenbarte Valverdes Team auch eine fundamentale Schwäche. Dadurch, dass mit Suárez und Messi zwei Akteure nicht verteidigten, schaffte Klopps Team eine Überzahl im Zentrum. Durch das Verfolgen einzelner Spieler entstanden zudem größere Lücken zwischen Abwehr und Mittelfeld, die Milner, Wijnaldum oder einer der Flügelspieler nutzen konnte.
Auch Liverpool war in Ballbesitz in der Lage die Lücken der Katalanen zwischen den Linien zu bespielen. Hin und wieder hatten die Reds mit Positionierungs- und Abstimmungsproblemen zu kämpfen, doch über flache Pässe oder diagonale Verlagerungen konnte man seine besten Akteure zwischen den Linien finden.
Für das Rückspiel besteht hier weiterhin Gefahr für den FC Barcelona, ließ das Klopp-Team doch im Hinspiel bereits mehrere größere Chancen aus. Mit Roberto Firmino hätten die Engländer Barças Lücken womöglich besser nutzen können.
Fazit
Das Spiel zwischen Barça und den Reds bot viel Tempo, Technik, Einzelaktionen und schöne Kombinationen. Beide Teams waren mit dem Ball sehr stark und bedingt durch die jeweiligen Probleme im Defensivverbund ergaben sich immer wieder Chancen auf beiden Seiten. Am Ende konnte Valverdes Team die Lücken in Person von Lionel Messi besser nutzen. Während die Reds mit ihrer mangelnden Chancenverwertung nun eine Herkulesaufgabe im Rückspiel vor der Brust haben.
Gastbeitrag von Tobias Hahn, Gründer von Thefalsefullback. Thefalsefullback bietet Taktikanalysen zur Bundesliga und zu den internationalen Ligen, und stellt zudem Spieler, Teams und Trainer vor. Außerdem werden die nächsten taktischen Trends erläutert sowie Fußballtrainern ein Mehrwert durch Trainingsartikel angeboten. Wenn ihr mehr über das Thema Taktik wissen wollt oder ein Fußballtrainer seid, dann schaut doch mal auf der Seite vorbei: http://thefalsefullback.de.
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