Einmal mehr gelang es dem FC Barcelona nicht, wie bereits gegen den AC Milan, in der Ferne ein Tor zu erzielen. Der Elf von Guardiola scheiterte auch diesmal an einer unzulänglichen Chancenausbeute und hat nun im Rückspiel aufgrund des Treffers von Drogba eine schwere Aufgabe vor sich.
Von Raphael Lugowski
Grob fahrlässige Chancenauswertung
Es lief alles andere als gut für den Titelverteidiger. Wie so oft waren die Katalanen die spielbestimmende Mannschaft, die hätte in Führung gehen müssen. Doch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte wandte sich das Schicksal gegen sie und nicht wenigen Anhängern des FC Barcelona wird dieses Gegentor wie ein Déjà-vu vorgekommen sein. Es war fast wie immer: dem Gegner reicht eine gelungene Aktion, um den Spielverlauf vollkommen auf den Kopf zu stellen. Doch es ist falsch, mit dem Schicksal zu hadern – der wahre Grund für das seltsame Befinden der Fans liegt weniger in einer schicksalshaften Fügung, sondern, wie immer, in einer grob fahrlässigen Chancenauswertung, und das eigene Unvermögen der Spieler des FC Barcelona stand dem vorzeitigen Einzug ins Champions League Finale im Weg. Nun, die Situation ist wie sie ist, und es hilft nur wenig weiter, jetzt den verpassten Möglichkeiten nachzutrauern. In einer Woche werden die Karten neu gemischt und es liegt allein bei den Spielern, es beim nächsten Mal besser zu machen. Die Möglichkeiten dazu werden da sein, das hat bereits das gestrige Spiel verdeutlicht. Allerdings, das hat der Vorabend auch deutlich gemacht, wird das Rückspiel womöglich ein etwas schwierigeres Unterfangen. Mit zehn Mann verteidigten die Engländer die Führung und man darf bezweifeln, dass sie im Camp Nou von dieser Ausrichtung abrücken werden.
Chelsea mit solider Defensivleistung
Diese robuste Defensivbarriere war bereits gestern ein gewichtiger Faktor im Spiel. Vor dem Tor verteidigte Chelsea in einem 4-5-1 das eigene Tor und lauerte auf Ballverluste der Katalanen, um Konter zu fahren. Die Fünfermittelfeldkette stellte das Aufbauspiel des Gastes bereits auf Höhe des Mittelfeldes und nötigte damit Messi und Fabregas dazu, sich weit ins Mittelfeld zurückfallen zu lassen, um mehr Anspielstationen zu generieren. Ein Spieler rückte immer aus der Kette heraus und behinderte den ballführenden Spieler, meist Xavi oder Busquets, um ihm nicht allzu viel Zeit zu lassen, den Spielaufbau zu planen. Das war aber nicht das einzige Problem des FC Barcelona. Drogba war äußerst hartnäckig und unternahm immer mal wieder Wege zurück, was den Mittelfeldakteuren immer wieder das Bewusstsein vermittelte, gleich wieder unter Bedrängnis zu stehen. Es fiel der Blaugrana demnach schwer, schnell nach vorne zu spielen und das Mittelfeld gefahrlos zu überbrücken. Zunächst wurde versucht, mit ewig langen horizontalen Ballstaffetten Lücken im Mittelfeldverbund aufzutun. Weil dies meistens fruchtlos blieb und die Spieler des FC Chelsea sehr gut verschoben und sehr eng beieinander standen, wurde sodann ein riskanter längerer Pass auf die Stürmer gespielt, der jedoch allzu häufig abgefangen worden ist. Auch darüber hinaus gab es Abstimmungsschwierigkeiten im Offensivspiel. Gleich zwei bis drei Mal wurde Messi der Ball suboptimal in den Rücken gespielt.
Der FC Barcelona tat sich schwer
Der FC Barcelona agierte in einem gewohnten 4-3-3 mit einer sehr mittelfeldbetonten Spielanlage. Lediglich bei Sanchez konnte man im Sturm eine hohe Positionstreue beobachten, während Messi und Fabregas stets dort anzutreffen waren, wo ein Bedarf an zusätzlichen Anspielstationen bestand. Auf der linken Abwehrseite fand sich zur Überraschung vieler Adriano ein, der seine Aufgabe bis auf eine Ausnahme gut erledigte. Er konnte einige Akzente im Offensivspiel setzen und kam sogar selbst zweimal zum Abschluss. Interessant zu beobachten war auch, wie Adriano ohne Ball immer wieder die Außenbahn entlang lief, um Spieler zu binden und Iniesta damit zu unterstützen. Auf der linken Seite war Alves nicht so präsent wie gewohnt, was daran lag, dass Sanchez vor ihm agierte und er nur dann vorrücken konnte, wenn dieser sich zum Zentrum hin orientierte. Dem Anschein nach sollte Alves seine Rolle in diesem Spiel nicht so offensiv interpretieren, was angesichts der Konterstärke von Chelsea auch nachvollziehbar war. Insgesamt fehlte dem Spiel des FC Barcelona aber die nötige Breite. Immer dann, wenn Pep Guardiola das Mittelfeld betont und im Sturm Fabregas oder Iniesta aufbietet, läuft dies auf eine Vernachlässigung des linken Flügels hinaus. Ein Cuenca oder ein Tello kleben an der Außenbahn und entzerren damit das Zentrum des Gegners. Fabregas und Iniesta sind aber keine klassischen Flügelspieler, sondern Mittelfeldakteure. Diese Entscheidung bringt aber andere Vorteile mit sich, die gegen eine Mannschaft wie Chelsea wohl überwiegen. Auch der ansonsten sehr offensive Adriano war gestern angehalten, Zurückhaltung walten zu lassen und konnte nicht für eine bessere Breite sorgen.
Peter Cech hält seine Mannschaft im Spiel
Ob aber eine breitere Spielanlage gestern der Schlüssel zum Erfolg gewesen wäre, darf angesichts der extrem defensiven Ausrichtung des Gegners auch angezweifelt werden. Bereits ab der ersten Minute an hatte für Chelsea die Verhinderung eines Gegentores absolute Priorität. Trotzdem konnten sie sich nicht zu jeder Zeit und in jeder Situation der Klasse der Katalanen erwehren. Nach knapp zehn Minuten hatten sie den ersten Aussetzer. Iniesta kommt einige Meter hinter dem Sturmzentrum an den Ball und sieht, dass die Viererkette des FC Chelsea auf Abseits spielt – zumindest die Mehrzahl der Abwehrspieler. Sanchez startet, Iniesta bedient ihn mit einem hohen Ball und die Latte verhindert nach einem wundervollen Lupfer Schlimmeres für den Gastgeber. In der 17. Spielminute dann ein weiterer Hochkaräter. Iniesta wird von Messi bedient und zieht ab, doch Cech pariert den Ball, der vor die Füße von Fabregas landet. Dieser kann den Ball aus kurzer Distanz jedoch nicht im Tor unterbringen. Auch in der nächsten Szene stand die Neuverpflichtung im Mittelpunkt. Mit einer tollen Körpertäuschung ließ er seinen Gegenspieler stehen und prüfte Cech mit einem satten Linksschuss, der auch diesmal abgewehrt worden ist. Kurz darauf kam Messi im Strafraum zum Kopfball, doch auch hier war der gegnerische Schlussmann auf dem Posten.
Drogba mit dem Tor des Tages
Große Gefahr bestand für den FC Chelsea dann, als sie aufgerückt waren. Einmal ist ihnen das passiert und sofort wusste die Blaugrana die Räume zu nutzen. Messi trug den Ball bis an die Strafraumkante, spielte zu dem in Stellung gelaufenen Fabregas und dieser lupfte den Ball an Peter Cech vorbei. Sehr langsam kullerte der Ball in Richtung des Tores und wurde noch weit vor der Linie abgefangen. Hier hätte Fabregas im Abschluss einfach zwingender sein müssen. Die Quittung für diese leichtfertige Hergabe von guten Tormöglichkeiten folgte dann in der Nachspielzeit. Messi verliert den Ball auf Höhe der Mittellinie an seine Gegenspieler, als er zum Dribbling ansetzen will und schnell wird der Ball von Lampard auf den linken Flügel geschlagen, wo Ramires bereits in Richtung Tor unterwegs ist. Im Strafraum legt er den Ball dann quer auf Drogba und dieser hat wenig Mühe, zur Führung zu vollenden. In der zweiten Halbzeit zog sich Chelsea dann noch weiter zurück und sogar Drogba arbeitete nun noch stärker mit nach hinten zurück. Chancen gab es daher nur auf Seiten des FC Barcelona. Wenige Minuten nach Wiederanpfiff versuchte es Adriano mit einem satten Schuss aus halblinks, doch Cech ist wieder einmal zur Stelle. In der 56. Spielminute war Sanchez nach einem feinen Heber von Fabergas in einer guten Position, doch sein Schuss ging knapp am rechten Pfosten vorbei. Turbulent waren die Schlussminuten. Zunächst kommt Puyol nach einem Freistoß von Messi zu einem Kopfball und zwingt Cech zu einer Glanztat. In der Nachspielzeit landet der Ball über Messi und Busquets zu Pedro, der den Spielkörper an den rechten Pfosten setzt. Den Abpraller muss Busquets eigentlich dann zum Ausgleich nutzen – doch er verzieht. So blieb es beim 0:1. Die Blaugrana wird im Rückspiel aufdrehen müssen. Visca el Barca!