Nach dem Hinspiel im Etihad Stadium erwartet die Barça-Fanschar nun der zweite Teil im Champions-League-Kracher FC Barcelona gegen Englands Meister Manchester City. Mit einem 2:1-Polster aus der ersten Begegnung kann die Blaugrana mit einer gewissen Sicherheit in diese Partie starten – City hingegen muss gezwungenermaßen gleich zwei Tore schießen, um das Weiterkommen zu sichern. Wir wollen aus diesem Anlass noch einmal auf einige taktische Fragen aus dem Hinspiel eingehen und die möglichen Schlüsselpunkte dieses Aufeinandertreffens beleuchten.
90 Minuten sind gespielt. Die Kamera schwenkt zum Anzeigeboard des Etihad Stadiums hinauf und blendet ein 1:2 aus Sicht des Heimteams für die Zuschauer ein. Mit zwei Treffern ebnete Luis Suárez seiner Mannschaft den Weg gen Viertelfinale der UEFA Champions League, während Agüeros Anschlusstreffer auch dem englischen Meister noch ein klitzekleines Fünkchen Hoffnung gibt. Doch ist die Ausgangslage für den Aufstieg schon vor der Partie derart klar? Keineswegs.
Barça lähmte Silva und die Spielzirkulation: Was überlegt sich Pellegrini nun?
Schon in unserer Vorschau zum Hinspiel hatten wir David Silva als stark unterstützendes und aufbauendes Element im Aufbau- und Zirkulationsspiel Citys ausgemacht. Um das City-Spiel in dieser Hinsicht ins Wanken zu bringen, setzte Luis Enrique seinen kroatischen Dauerläufer Ivan Rakitić als Manndecker auf den Spanier an. Der Mittelfeldspieler positionierte sich entweder eng an seinen Gegenspieler, wenn dieser in Ballnähe war, oder – wenn der Ball außer Reichweite war – er nahm ihn in seinen Deckungsschatten beziehungsweise übergab ihn im Raum, wo er aufgrund der Distanz zum Ball keine gefährlichen Aktionen initiieren konnte. Betrachtet man nun die Gesamtanzahl an Pässen, die Silva spielen konnte (40) im Vergleich zu seiner üblichen Zahl in der Premier League (65, Quelle: whoscored.com), so erledigte Rakitić seine Sache im Großen und Ganzen relativ gut und souverän, bis auf wenige Ausnahmen, in denen Silva mit geschickten Läufen ins Zentrum oder in die Tiefe sich dem Kroaten entledigen und als Anspielstation dienen konnte.
Und auch sonst war der Spielaufbau der ‘Citizens’ in weiten Teilen der ersten Hälfte sehr unspektakulär und leicht vorhersehbar. Teilweise konnte eine gute Ballzirkulation gar nicht hergestellt werden, da sich zu viele City-Spieler auf zwei horizontalen Linien aufgeteilt befanden und die Staffelung bei Weitem nicht einer wirkungsvollen Ballbesitzkultur entsprach. Seltene Abkippbewegungen und Ablagen von Džeko sowie Vorstöße des zweiten Sechsers Milner ergaben ein paar gute Ballstaffeten, doch das Problem blieb zu weiten Teilen der ersten Hälfte bestehen und es bedurfte lediglich einer guten horizontalen Kompaktheit der Blaugrana, damit es zu keinen gefährlichen Aktionen kommen konnte. Es wird interessant zu sehen sein, ob man mit der Rückkehr von Tiefenläufer Touré und den damit verbundenen dynamischeren Vertikalvorstößen dieses Problem minimieren oder gar ganz beheben wird. In der dominanteren zweiten Halbzeit der ‘Citizens’ waren diese Aspekte zumindest auch vermehrt zu sehen, wodurch die Blaugrana in vielen Phasen dann kaum Zugriff auf den Gegner bekam und zunehmend zurückgedrängt wurde. Höchstwahrscheinlich können wir also im Rückspiel die selben Automatismen wie schon in der zweiten Halbzeit erwarten, was nun eine Frage aufwirft: Wie kommt Barcelona mit diesem Problem zurecht?
Wie eliminiert Barça das Džeko-Agüero-Gespann und Touré?
Pellegrini erkannte, dass die zu hohe Positionierung seiner Stürmer der Ballzirkulation erheblich schadet und entschloss sich deswegen zu einer kleinen taktischen Maßnahme. Džeko agierte situativ als Ablagengeber im Zehnerraum auf die spielstarken Silva und Nasri oder legte bei Kontern auf die Außen ab, um das Spiel breit zu gestalten. Barça hatte insbesondere bei Kontern riesige Probleme, um diesen Umstand gut zu lösen. Zwar versuchte man dies durch sofortiges Herausrücken vom zweikampfstarken Mascherano auf Džeko zu kontrollieren, doch zum einen erwischte der Argentinier unglücklicherweise nicht seinen besten Tag und verlor relativ viele Zweikämpfe, und zweitens offenbarte sich auch, dass Barcelona bei zunehmender Passivität sehr leicht die vertikale Kompaktheit verliert und die Staffelung immer mehr und mehr zu einer schnurgeraden Linie wird. Logischerweise fand man sich somit einige Male in brenzligen Situationen wieder.
Mit der Personalie ‘Milner’ vercoachte sich Pellegrini in diesem Spiel auf eine massive Art und Weise. Der Engländer weist bei Weitem nicht die Charakteristika eines im Rückspiel wieder agierenden Touré auf, um Teil einer Doppelsechs gegen Barcelona zu sein. Waren sie in der ersten Hälfte noch Mangelware, so gab der Mittelfeldspieler in der zweiten Hälfte immer öfter eine tiefere Anspielstation hinter Barcelonas zweiter Vierer-Verteidigungslinie, was von City allerdings zu selten effektiv genutzt wurde beziehungsweise teilweise auch der guten horizontalen Kompaktheit der Katalanen geschuldet war, die Pässe hinter die Kette fast unmöglich machten.
Auch im Rückspiel wird eine geordnete Kompaktheit, sowohl horizontal als auch vertikal, von großer Bedeutung sein, um diese dynamischen Bewegungen hinter der ersten Linie zu unterbinden. Empfehlenswert wäre eine dicht gestaffelte Dreierkette in Form von Iniesta, Mascherano sowie Rakitić, die das Zentrum besetzen, wenn der Zwischenlinienraum mit vielen Spielern gefüllt wurde. Messi und Neymar stehen etwas breiter und höher, sollten bei Möglichkeit sofort Zugriff auf die Außenverteidiger Citys bekommen, wenn diese bespielt werden, und könnten auch Zuspiele in die eigenen defensiven Halbräume abfangen (sollten das nicht schon die Außenverteidiger Alves und Alba tun).
Der Kampf der schlechten Staffelungen: Die strukturiere Unordnung der Katalanen?
Doch auch die Staffelungen der Blaugrana waren nicht über jeden Zweifel erhaben. Insbesondere die nicht immer kompakte City-Defensivstaffelung hätte man mit besseren Positionierungen leichter bespielen und gefährliche Aktionen somit initiieren können. Besonders auf der rechten Seite war dieses Problem eklatant zu beobachten. So genial und wunderschön Lionel Messi seine Dribblings auch setzen konnte, war seine Position auf dem Feld keineswegs immer optimal, um das Ballbesitzspiel besser aufziehen zu können. Kurzum gesagt: Citys rudimentäre Staffelung und eher passives Pressing hätte man deutlich effektiver ausnutzen müssen.
Dabei waren mehrere Faktoren ausschlaggebend, dass auf rechts so viel am Argentinier hängen blieb. Zum einen war Ivan Rakitić in diesem Spiel als Breitengeber eingeteilt, der damit Dani Alves sowie Messi Freirollen in ihrem Kombinationsspiel gab. Allerdings konnten diese beiden Spieler selten hinter Citys erste Verteidigungslinie stoßen beziehungsweise resultierten Durchbrüche nur nach Messi-Drehungen. Die daraus folgenden Diagonalbälle nach links konnten aber größtenteils abgefangen werden.
Wie könnte man dies nun auflösen? Es gäbe mitunter zwei Lösungen, die durchaus realistisch erscheinen. Zum einen könnte Messi weiterhin vor den zwei Viererketten Manchesters positioniert stehen und für die Ballzirkulation seiner Mannschaft sorgen. Dafür müssten aber erstens Dani Alves oder Ivan Rakitić als mögliche Anspielstationen im Halbraum stehen und zweitens müsste der Argentinier viel stärker ins Defensivgeschehen beziehungsweise im Gegenpressing eingreifen. Die zweite, viel wahrscheinlichere Lösung wäre eine Positionierung Messis im Zwischenlinienraum, wo er sich für Tiefenzuspiele seines kongenialen brasilianischen Pendants bereithält und entweder als inverser Dribbler in Richtung Zentrum agiert oder als Nadelspieler für Rakitić dient. Dieser hätte dann mit einem Messi im Rückraum, Suárez am ersten sowie Neymar am zweiten Pfosten mehrere Möglichkeiten, um eine gefährliche Torchance herzustellen.
Die zweite, von uns präferierte Lösung. Rakitić steht breit und wird vom Nadelspieler Messi nach Zuspiel von Alves bedient. Dieser nimmt den Ball mit sich und hat am Ende drei mögliche Anspielstationen, die zu einer Torchance kommen könnten. Alves und Iniesta stehen zusammen mit Mascherano ( nicht eingezeichnet) für das Gegenpressing zur Verfügung, während Alba den ballfernen Raum abdeckt und einen durchstartenden Stürmer auf seiner Seite beim Konter in Manndeckung nimmt.
In der zweiten Hälfte war dieser Rechtsfokus vereinzelt dann auch zu beobachten. Alves als Anspielstation im Halbraum sowie Messi als weiterer Spieler im Mittelfeld, um dort Überzahl herzustellen, brachten geordnete Angriffe zustande. Mit anderen Worten: Die zweite Verteidigungslinie der ‘Citizens’ wurde nun ohne jegliche Dribblings umspielt. Lediglich Rakitić war nicht auf dem Flügel, sondern zur Absicherung im Gegenpressing auch im Mittelfeld positioniert.
Alves allerdings konnte diese guten Ansätze selten geordnet fortführen beziehungsweise offenbarten sich hier gewisse Unklarheiten bei den Tiefenläufen von Neymar und Suárez, die beide oftmals zu ähnliche Laufwege wählten und somit den Rückraum ‘mannlos’ ließen. Auf jeden Fall muss vor dem Rückspiel dieser Aspekt von Trainer Enrique noch einmal angesprochen werden. Eine durchaus plausible Möglichkeit wäre ein Kreuzen von Suárez und Neymar in ihren Laufwegen, damit die City-Viererkette zurückgezogen wird. Dieser Bewegung könnte ein dynamischer Laufweg von Messi in den Rückraum folgen, wo dieser frei angespielt werden könnte.
Entscheidet das Pressing den Aufstieg ins Viertelfinale?
Im heutigen Fußball stellt das Pressing einen elementaren Teil des Spiels einer Elite-Mannschaft dar. Im Hinspiel dieser Achtelfinalbegegnung waren das Gegenpressing und weitere Pressing-Arten beider Mannschaft allerdings eher mäßig und nicht sonderlich ausgeklügelt. Während City das Gegenpressing gar fast gänzlich vermissen ließ und erst in der zweiten Halbzeit phasenweise gute Ansätze zeigte (dem Gegentor Barcelonas war eine Balleroberung von Clichy im Gegenpressing vorausgegangen), nutzte es die Blaugrana situativ, um wieder in die geordnete Defensivstaffelung zu gelangen.
City nutzte in der ersten Hälfte ein Mittelfeldpressing in einer 4-4-2-artigen Formation. Dabei war die Doppelspitze Agüero-Džeko auf einer horizontalen Linie positioniert und sollte durch seinen Deckungsschatten Zuspiele auf den hoch stehenden und fast nie abkippenden Busquets verhindern. Silva und Nasri nahmen dabei die Außenverteidiger in Manndeckung; ließen sich diese aber dann in irrelevante Zonen abfallen, hat Barça sie ziehen lassen und deckte den eigenen Halbraum ab. Einen Haken hatte dieses Konzept aber: Suárez konnte durch seine klugen Abkippbewegungen auf dem Flügel sowie dem Zehnerraum eine tiefe Anspielstation bilden und somit viele Angriffe aufbauen beziehungsweise ins zweite Spielfelddrittel bringen. In der zweiten Hälfte agierte Džeko dann deutlich tiefer und nahm Busquets klar in Manndeckung; City agierte nun in einem phasenweise sehr sauberen und kompakteren 4-2-3-1, wobei die Doppelsechs die Abkippbewegungen der Achter kontrollierte. Die Außenverteidiger positionierten sich nun zentraler im eigenen Halbraum, weswegen Silva und Nasri auch wieder vermehrt die gegnerischen Außenverteidiger decken konnten.
Generell vertraute die Blaugrana in ihrem Spiel auf ein klares Mittelfeldpressing, das bei vergeblichen Versuchen des Ballgewinns zum tiefen Defensivpressing umgewandelt wurde. Wie schon erwähnt, setzte Barça mit den Personlien Rakitić in der ersten Hälfte und mit fortschreitender Zeitdauer auch Busquets eine Manndeckung auf Aufbauspieler Silva ein. Suárez lief Citys Innenverteidiger vorne bogenförmig an und sollte den Spielaufbau auf die Außen verlagern, wo sich die abwechselnd abkippenden Messi sowie Neymar zusammen mit den jeweiligen Außenverteidigern um den ballführenden Spieler kümmern sollten. Mascherano sollte die Abkippbewegungen von Džeko kontrollieren, erwischte aber wie schon aufgeführt einen schlechten Tag hinsichtlich des Zweikampfverhaltens. Da für das Rückspiel Mittelfeldstratege Sergio Busquets definitiv ausfallen wird, wird es wohl ‘El Jefecito’ sein, der seinen Platz einnimmt. So könnte sich Barcelona in einem schon im Hinspiel oft auftretenden 4-1-4-1 formieren, in dem Mascherano den Zwischenlinienraum bewacht und die ballnahen Anspielstationen in Manndeckung nimmt.
Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Das Pressing wird besonders im Rückspiel eine noch entscheidendere Rolle im Spielgeschehen einnehmen. Manchester City ist gezwungen, Tore zu schießen, und das ausgerechnet gegen eine der berüchtigtsten Ballbesitzmannschaften Europas. Es wird somit relevant sein, welche Mannschaft den Ball in die von ihr bevorzugten Zonen bekommen und ihr Spiel gegen den Gegner aufziehen kann. Gelingt es der Blaugrana, auf dem Flügel den Ball zu erobern und von dort mit den spielstarken Messi und Neymar Schnellangriffe aufzuziehen? Oder werden die ‘Cititzens’ Ballgewinne einfahren und ihren dribbelstarken Agüero in Szene setzten können? Am Ende wird es diejenige Mannschaft sein, die die klareren und effektiveren Staffelungen gegen den Gegner aufbringen kann und so wenige Fehler wie nur möglich begeht. Und aus Sicht der Barça-Fanschar sollte das selbstverständlich die Mannschaft in den blau-roten Trikots sein.