Für viele Leute war dies ein vorgezogenes Finale – der FC Barcelona gegen den FC Bayern München. Wie zu erwarten, wollten beide Mannschaften etwas für das Spiel tun, wodurch den Zuschauern eine unglaublich hochklassige Partie geboten wurde – wenngleich es kein Fest der Torchancen war. Dennoch war das Aufeinandertreffen dieser beiden Top-Teams sehr unterhaltsam und letztlich auch torreich. Durch diesen 3:0-Sieg hat sich Barça eine hervorragende Ausgangslage für das Rückspiel nächste Woche in München erarbeitet.
Bayern will den Ball erst nach der Halbzeit
Der FC Bayern begann für seine Verhältnisse relativ passiv. Man ordnete sich vermehrt in der eigenen Hälfte an und versuchte dann nach Ballgewinnen möglichst schnell nach vorne zu spielen und nicht unbedingt den Ball zu halten. Offensiv brachte dies kaum etwas ein, da man mit zu wenigen Spielern aufrückte. Oft waren Thomas Müller und Robert Lewandowski allein auf weiter Flur. Eine Großchance konnten diese beiden sich dann aber doch erspielen, als der Pole nur haarscharf an einer eigentlich sehr genau gespielten Hereingabe von Müller vorbeirutschte. Defensiv standen die Münchener insgesamt ein wenig löchrig. Sie gewannen zwar in letzter Instanz viele Zweikämpfe, aber die Abstimmung innerhalb des Defensivverbundes stimmte teilweise nicht, wodurch Barça zu Chancen kam. Bei der frühen Großchance von Luis Suárez, hob beispielsweise Benatia das Abseits auf, weil er nicht früh genug herausrückte und etwas hinter Boateng stand. Zudem hatte Juan Bernat erhebliche Probleme und verlor ein ums andere Mal die Übersicht im Spiel gegen den Ball – so zum Beispiel, als er Dani Alves in Hälfte eins einfach laufen ließ und Manuel Neuer erneut in höchster Not retten musste.
Im zweiten Durchgang änderte sich das Spiel der Gäste, da Pep Guardiola erkannte, dass es mit Ball leichter ist, Barça vom eigenen Tor fernzuhalten. Daher presste sein Team nun deutlich höher, wodurch sie mehr Zugriff auf das Spiel erhielten und nun auch die Oberhand in puncto Ballbesitz hatten. Rein spielerisch war das Spiel nun ausgeglichener und ein sehr interessantes Duell im Mittelfeld, wobei die Münchner offensiv nicht wirklich gefährlicher waren, als in der ersten Halbzeit. Ein abgefälschter Schuss von Thiago war die einzige Aktion, in welcher ter Stegen eingreifen musste. Defensiv war Bayern nun stabiler, auch weil man durch den gestiegenen Ballbesitzanteil nicht mehr so oft und so viel verteidigen musste. Die drei Tore fielen sehr spät und waren allesamt vermeidbar, was aber bei Gegentoren häufig der Fall ist.
Die Entstehung des ersten Treffers der Partie: Nachdem Neymar im Sechzehner fiel und einige Barça-Akteure noch mit dem Schiedsrichter redeten, machte Manuel Neuer das Spiel schnell. Bernat versuchte daraufhin auf links ein Dribbling, legte sich den Ball aber zu weit vor und verlor ihn schließlich gegen Dani Alves. Dieser setzte sich dann sehr stark gegen Xabi Alonso durch, der gleichzeitig im Zweikampf aufpassen musste, da er schon Gelb vorbelastet war. Nach Alves’ Querpass knallte Messi den Ball unhaltbar ins Tor zur verdienten Führung für die Gastgeber. Nur kurz darauf war es wieder Bernat, der das nächste Gegentor ermöglichte, weil er zu weit von Messi entfernt stand, sodass Boateng im Rückwärtslaufen alleine gegen den Argentinier antreten durfte – eine mehr als undankbare Aufgabe. Was ‘La Pulga’ aus dieser Situation schließlich machte, war absolute Weltklasse und die Vorentscheidung in dieser Partie. Danach versuchten die Münchner noch einmal alles nach vorne zu werfen und wurden in letzter Minute durch Suárez, Messi und Neymar perfekt ausgekontert.
Bayerns offensive Manndeckung
Guardiola wollte, dass seine Mannschaft dem FC Barcelona das Leben von Beginn an schwer macht und schon den Spielaufbau stört. Dafür wurden die Innenverteidiger nicht nur – wie sonst üblich – angelaufen, sondern teilweise auch manngedeckt von den beiden Münchner Stürmern Müller und Lewandowski. So nahm man ter Stegen einige Male die kurzen Anspielstationen und hoffte, die dann folgenden langen Bälle erobern zu können. Jedoch zeigte sich der deutsche Schlussmann erneut sehr stark mit dem Ball am Fuß und brachte die meisten Bälle zu den eigenen Mitspielern und leitete sogar so die erste Großchance von Luis Suárez ein.
Auch Sergio Busquets wurde oft sehr eng gedeckt, da er für den Spielaufbau aus dem Mittelfeld zuständig ist. So konnte der Katalane nicht über die vollen 90 Minuten das Spiel ordnen, was dazu führte, dass die Blaugrana des Öfteren das Spiel über die beiden Außenverteidiger aufbauen musste. Bayern versuchte hierbei den Raum auf den Außen möglichst eng zu machen, sodass die Blaugrana den Ball verliert und man dann selbst schnell zum Gegenschlag ausholen kann. Jedoch überzeugten Dani Alves und Jordi Alba in ihrem Passspiel und auch in ihren Dribblings – speziell der Brasilianer.
Barça glänzt im Gesamtverbund
Es ist schwer zu sagen, welcher Aspekt am Spiel des FC Barcelona am beeindruckensten war: Die fantastische Arbeit gegen den Ball oder die gute Arbeit nach vorne. Gegen den Ball arbeitete das ganze Team hervorragend mit und ließ so nur eine Großchance zu, welche aber wohl in neun von zehn Fällen in einem Tor endet. Mascherano war herausgerückt, weshalb Piqué sich etwas nach außen zu Alba orientierte, um diesen gegen Müller zu unterstützen. Dadurch war Lewandowski in der Mitte völlig frei, da Busquets noch am Lamentieren war, anstatt sich zum Polen zu begeben und diesen zu decken. Es ging zwar schlussendlich gut, dennoch darf man sich solche Nachlässigkeiten in einem Champions-League-Halbfinale nicht leisten. Ansonsten stand man defensiv aber enorm sicher und ließ faktisch keinen einzigen Torschuss der Münchner zu (Thiagos Schuss wurde von einem Barça-Akteur abgefälscht und wäre andernfalls daneben gegangen).
Auch offensiv präsentierte sich die Blaugrana als Einheit, die immer wieder gut das Spiel aufbaute und versuchte, sich im Zusammenspiel Chancen zu kreieren. Messi agierte dabei oft nicht ganz außen, sondern deutlich zentraler, als eine Art rechts abgekappte Zehn, weshalb Dani Alves und Ivan Rakitić für die Breite auf der Außenbahn sorgen mussten. Das gelang gut, auch weil beide eine ausgezeichnete Leistung ablieferten. Der Kroate bewies erneut auf höchstem Niveau, weshalb er dem Spiel von Barça so guttut. Er macht sehr wenige Fehler, geht oft mit nach vorne (und kann sich dort auch durchsetzen), spielt gefährliche Bälle nach vorne und ist in der Rückwärtsbewegung eine unglaublich große Hilfe für die gesamte Mannschaft. Durch Messis zentrale Positionierung und die gleichzeitige Besetzung des Sturmzentrums durch Suárez, hatte Barça dort immer wieder etwas Platz, da Bayern sich nicht nur auf einen Spieler im Zentrum konzentrieren konnte. Durch Messis Stärke im direkten Duell konnten die Katalanen auch immer wieder Spieler der Münchner aussteigen lassen und so für noch mehr Gefahr sorgen.
Es spricht für die Mannschaft, dass sie nach einer ersten Halbzeit, wo man mehrere sehr gute Chancen vergab, dennoch ruhig und bedacht weiterspielte und nicht zwanghaft versuchte, diese vergebenen Chancen wettzumachen. In der Schlussphase wurden die Katalanen auch genau dafür belohnt, als sie die Fehler von Bayern gnadenlos ausnutzten und ihre eigenen Stärken dabei extrem gut ausspielten. Zudem war es erneut bemerkenswert, wie gut der FC Barcelona mittlerweile auch ohne Ball agieren kann. In der zweiten Halbzeit hatte der FC Bayern mehr Ballbesitz, aber weniger Chancen als zuvor, da Barça unter Luis Enrique hervorragend organisiert ist. Dies hat den Vorteil, dass man nicht die ganze Zeit pressen muss, was Kraft kostet und gleichzeitig den Gegner locken kann, um dann die Schnelligkeit der drei schnellen Offensivspieler ausnutzen kann, wie man es auch beim 3:0 sehen konnte.
Nach dem 1:0 stellte Luis Enrique auf ein 4-4-2 gegen den Ball um. Neymar ließ sich etwas zurückfallen, wodurch eine Viererkette im Mittelfeld entstand. Somit verhinderte Barça ein mögliches Überladen der Seiten aus Sicht der Bayern und stand in den letzten Minuten ausgezeichnet, sodass man nicht Gefahr lief, noch ein Auswärtstor zu kassieren.
Fazit
In einem unglaublich hochklassigen Spiel setzte sich der FC Barcelona am Ende absolut verdient durch. Das Ergebnis wirkt deutlicher als das Spiel war – der Sieg an sich ist aber hochverdient. Das Spiel war ausgeglichen, Bayern machte das, was sie sich vornahmen insgesamt gut (speziell in der zweiten Halbzeit), lieferten jedoch kein gelungenes Gesamtprojekt ab. Dies lag auch an den verletzten, da man für diese Art von Fußball Spieler braucht, die die direkten Duelle für sich entscheiden können und genau diese Spieler fehlten den Münchnern, während Barça gleich drei davon aufbieten konnte. Aber auch mit den Verletzten wäre dies eine schwere Aufgabe für das Team von Pep Guardiola gewesen, da Barça einen sehr guten Abend erwischte und gerade die beiden Außenverteidiger Alves und Alba defensiv sehr stark spielten.
Das Spiel an sich war – wie bereits erwähnt – ausgeglichen. Jedoch hatte Barça klar mehr Chancen und dabei handelte es sich auch um einige sehr hochkarätige, weshalb das Ergebnis – ausschließlich an den Chancen gemessen – schlussendlich auch in Ordnung geht. Dennoch bedeutet dieses 3:0 nicht, dass die Münchner sich schwach präsentierten. Im Mittelfeld behielten sie lange Zeit gar die Oberhand, letztlich war dies aber nicht ausreichend. Details haben dieses Spiel entschieden und bei einer solchen Offensive, wie sie Barça zur Verfügung stehen hat, können dann auch in 16 Minuten drei Tore fallen.