FC Barcelona – FC Bayern München: Wie zieht Barça den Münchnern die Lederhosen aus?

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Unaufhörlich tickt die Uhr herunter bis zum Anstoß zum Gigantenduell zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern München. Im Zuge dieser Paarung kehren mit Josep ‘Pep’ Guardiola sowie Thiago Alcântara auch zwei altbekannte Gesichter an ihre frühere Wirkungsstätte ins Camp Nou zurück. Somit darf ein höchst emotionaler Kracher samt taktischen Meisterleistungen sehnsüchtig erwartet werden. Der perfekte Anlass für eine weitere tief gehende Taktik-Vorschau auf Barçawelt.

Hinweis: Dieser Artikel stützt seine Inhalte und dargestellten Punkte zum Großteil auf die Partien des FC Bayern München im Spiel der 27. Runde der deutschen Fußball-Bundesliga 2014/15 am 4. April 2015 sowie dem Semifinale des DFB-Pokals 2014/15 am 28. April 2015. In beiden Partien lautete der Gegner Borussia Dortmund. Des Weiteren werden auch Aspekte der Champions-League-Viertelfinalbegegnung(en) 2014/15 gegen den FC Porto vom 15. April 2015 beziehungsweise dem 21. April 2015 aufgegriffen und in die Darlegungen miteinbezogen.

“Uiuiuiuiui”, so oder so ähnlich muss die Reaktion vieler Fußballfans auf dieser Welt gewesen sein, als Losfee Karl-Heinz Riedle anlässlich der Ziehung der UEFA Champions-League-Halbfinale den FC Bayern München als Gegner des FC Barcelona ausgelost hat. Nicht nur ein Fußballspektakel der Crème de la Crème ist somit auf jeden Fall vorprogrammiert, auch die jüngste Vergangenheit gibt diesen Duellen eine ganz besondere Brisanz. Ungeachtet des 4:0-Sieges der Katalanen über die Münchner in der Champions-League-Saison 2008/09 will die katalanische Fanschar insbesondere Revanche für die historische Halbfinalschlappe vor zwei Jahren nehmen, als die Blaugrana mit einem desaströsen 0:7-Gesamtergebnis von Robben und Co. aus dem Wettbewerb geschmissen wurde. Dass mit ‘Pep’ Guardiola und Thiago Alcântara zwei ehemalige Mitglieder der Barça-Familie zurückkehren, setzt dem Ganzen nur mehr die Krone auf.

Pep’sche Flexibilität als Lösung der Münchner Personalkrise

Die Münchner hatten es in den letzten Wochen hinsichtlich der Personalien wahrlich nicht einfach. Neben dem Ausfall von Superstar Robben fehl(t)en Guardiola zudem noch Innenverteidiger Holger Badstuber sowie David Alaba; ein Einsatz des Langzeitverletzten Ribéry kann aber zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Des Weiteren stehen hinter dem Einsatz von Robert Lewandowski große Fragezeichen, zog sich der Pole doch gegen den BVB mehrere Gesichtsverletzungen zu, womit sein Einsatz im Hinspiel zumindest hinterfragt werden darf.

Bayern neu

Diese beiden Systemauslegungen als grobe Muster wurden von Guardiola in den letzten Wochen und auch Monaten vermehrt eingesetzt. Nachfolgend werden auch noch die Gegner-Anpassungen dieser beiden Ausrichtungen erläutert.

Guardiola reagierte in den letzten Wochen auf diese Personalkrise und stellte seine Systemauslegung auch dementsprechend um. Schon im Liga-Spiel gegen den BVB demonstrierte der Katalane mit einem auf Stabilitätsfokus ausgelegten Plan seine Vielfältigkeit und Flexibilität im taktischen Bereich.

Die taktische Defensivschlacht gegen Klopps Pressing-Dortmunder

Im Topspiel der Bundesliga gegen Borussia Dortmund hatte Guardiola bereits mit so einigen Personalsorgen zu kämpfen. Die Flügelzange ‘Robbery’ fiel aus und Innenverteidiger Holger Badstuber sowie Sechser David Alaba waren nicht einsatzfähig. Der katalanische Star-Trainer reagierte auf diese Ausfälle und brachte seine Mannschaft in einem höchst interessanten und defensiv-ausgerichteten 5-3-2 auf das Feld. Neuer im Tor sowie die Fünferkette in Form von Bernat, Dante, Boateng, Benatia und Rafinha sollten die Abwehrreihe bilden, während das Mittelfeld mit Schweinsteiger, Lahm und Alonso die Spielzentrale übernahm und Lewandowski sowie Müller vorne für die Tore sorgen sollten.

Dabei war insbesondere die Erzeugung von ballnaher Kompaktheit sowie die ungewöhnlich tiefe Staffelung ein Hauptaugenmerk im Spiel der Bayern. Der Plan Guardiolas sah dabei vor, das Zentrum sowohl horizontal als auch vertikal extrem zu verdichten, die Dortmunder beziehungsweise den Ball auf die Außen zu bekommen und den Gegner dort zu isolieren. Dort sollte dann der ballnahe Flügelverteidiger aus seiner Grundformation als Manndecker herausrücken und der ballferne Flügelverteidiger in die Dreierkette einrücken, womit eine typische Viererkette entstand. Die Dreierkette aus Lahm, Alonso und Schweinsteiger verschob ballorientiert auf die Flügel und die Stürmer verhinderten Rückspiele auf die Innenverteidigung Dortmunds.

Im Aufbau waren ähnliche stabilitäts-orientierte Muster zu beobachten. Die Dreierkette zog sich dabei auseinander und Alonso füllte primär den Sechserraum, konnte aber auch je nach Spielsituation zwischen zwei Innenverteidigern hineinkippen; (eher seltene) abkippende Bewegungen von Schweinsteiger im Sechserraum sollten dann für eine Verbindung im Mittelfeld sorgen. Bernat und Rafinha konnten insofern zwar höher stehen, ließen sich aber auch flexibel abkippen, wenn Alonso den eigenen Sechserraum füllte. Somit waren in vielen Fällen verschiedenste Aufstellungen zu beobachten. Von 3-1-4-2-Formationen mit Alonso im Sechserraum und hohen Flügelverteidigern bis hin zu 4-2-2-2- oder auch 3-3-2-2-Formationen mit tieferen Bernat und Rafinha auf den Außen, den Achtern in den Halbräumen und Alonso abwechselnd abkippend beziehungsweise den Sechserraum füllend.

Insgesamt betrachtet waren die Münchner somit äußerst flexibel, was die Verdichtung von allen möglichen Räumen auf dem Feld betrifft und die Stabilität im Spielaufbau anbelangt. Neben den Flügelverteidigern waren auch Vorstöße der Achter beim Pressing in die erste Linie zu sehen, während Alonso und Lahm/Schweinsteiger dahinter flexibel mannorientiert agierten und somit 5-2-3-ähnliche Staffelungen erzeugten. Doch Dortmund und Klopp hielten gegen diese defensive Übermacht hervorragend dagegen.

Klopp schickte seine Elf in seinem üblichen 4-2-3-1 auf das Feld. Die Viererkette bestand dabei aus Sokratis, Subotić, Hummels sowie Schmelzer, davor agierten in der defensiven Zentrale Gündogan sowie Bender und offensiv waren Kampl, Reus, Blaszczykowski sowie Aubameyang zur Stelle.

In der eigenen Defensivausrichtung formierte man sich allerdings in einem ebenfalls sehr flexiblen 4-4-2/4-3-3. Kampl zusammen mit Aubameyang und Reus stellten die vorderste Linie dar, der Slowene pendelte aber in die dahinter liegende Dreierkette zurück, wenn das Angriffspressing überspielt wurde. Die zweite Pressinglinie bestand somit aus Blaszczykowski, Bender und Gündogan. Der polnische Flügelstürmer agierte im Vergleich zu Kampl etwas zurückgezogen und besetzte zusammen mit Gündogan die Halbräume, während Bender balancierend den Raum im Zentrum füllte beziehungsweise sich auch an Schweinsteigers abkippende Bewegungen orientierte.

Zusätzlich zu diesem asymmetrischen System war das extreme ballorientierte Verschieben ein Mittel, mit dem man den Bayern ordentlichen Schaden zufügen konnte. Einziges Manko im Dortmunder Spiel: Durch die Mannorientierungen auf Schweinsteiger und Lahm wurden Gündogan und Blaszczykowski hin und wieder auf die Außen gezogen. Ein paar ungünstige Positionierungen Benders sorgten dann für eine Öffnung des Dortmunder Zwischenlinienraums, in dem Lewandowski des Öfteren abkippte, Bälle behauptete und weiterleitete. So entstand schlussendlich auch der erste und einzige Treffer dieses Spiels

In der zweiten Hälfte änderte sich so gut wie gar nichts an der Ausrichtung beider Mannschaften, ganz im Gegenteil. Müller agierte nun deutlich zurückgezogener und es entstand eine 5-4-1-ähnliche Bayern-Staffelung, die dem BVB so gut wie gar keine Überladungen mehr erlaubte. Mit der Einwechslung von Thiago hatten die Bayern zudem noch mehr Ballsicherheit zu verzeichnen und konnten den Sieg somit über die Zeit schaukeln.

German Topspiel reloaded: Bayern-‘Ausrutscher’ im DFB-Pokalhalbfinale

Beide Mannschaften sollten sich lediglich ein paar Wochen später im DFB-Pokalhalbfinale wiedertreffen. Einzige personelle Unterschiede waren nun Rafinha statt Dante in der Innenverteidigung und Weiser als rechter Flügelverteidiger sowie der wiedergenesene Thiago als Schweinsteiger-Ersatz, während bei den Dortmundern Kagawa statt Kampl zentral agierte und Reus somit auf die linke Flügelposition rutschte. Außerdem wurde nun Durm anstelle von Sokratis, der in die Innenverteidigung für Subotić rückte, als rechter Außenverteidiger aufgestellt.

Taktisch gesehen sollte es auch bei beiden Mannschaften Unterschiede zur vorherigen Partie geben. Dortmund presste nun in einem klaren und teils sehr sauberen 4-3-3 gegen den Münchner Aufbau. Aubameyang, Kagawa sowie Reus bildeten die vorderste Pressingwelle, leiteten den Münchner Aufbau auf die jeweiligen Flügel und sollten Zuspiele in die Halbräume der Bayern verhindern beziehungsweise Alonso mit Manndeckungen aus dem Spiel nehmen. Dahinter bildeten Blaszczykowski, Bender sowie Gündogan die zweite Reihe, die situative Abkippbewegungen der Münchner manndeckten und bei Münchner Angriffen über die Flügel stark ballorientiert verschoben beziehungsweise den ballführenden Spieler isolieren sollten. 

Grundsätzlich war an dieser cleveren und geschickten Ausrichtung nichts auszusetzen. Die Bayern taten sich relativ schwer, eine Ballzirkulation durch das Zentrum aufzuziehen und den Raum zwischen erster und zweiter Pressinglinie zu bespielen. Zudem gab es mehrere Situationen, in denen Münchnens Aufbauspieler und Akteure in höheren Zonen voneinander isoliert zu sein schienen. Doch Herr Guardiola hat wieder einmal in seinem kleinen Taktik-Repertoire rumgekramt und Interessantes zum Vorschein gebracht.

Im ersten Spiel gegen Dortmund ließ Guardiola seine Dreierkette vergleichsweise noch relativ eng beieinander stehen, womit die BaBayern Foramtionyern beim Verteidigen die Tiefe gegen Dortmund im Griff hatten und durch situatives Herausrücken von Akteuren dieser Dreierkette den Zwischenlinienraum verteidigen konnten. Gegen Dortmund musste man allerdings nun das Spiel aufziehen. Was also tun? Guardiola entschied sich für eine Neu-Interpretation seiner Dreierkette. Die beiden äußeren Verteidiger Benatia sowie Rafinha, auch Halbverteidiger genannt, postierten sich im Spielaufbau ungewöhnlich weit nach außen – teils sogar bis an die Außenlinie – und stießen teilweise auch über die Flügel nach vorne. Mit dem anderen Halbverteidiger, Alonso sowie Boateng blieben ja immerhin noch drei weitere Akteure als Absicherung hinten.

Zur Folge hatte dies eine sehr große Weiträumigkeit im Münchner Aufbau, den Dortmund abdecken musste. Doch nicht nur das. Durch Abkippbewegungen von Alonso zwischen die Innenverteidiger und dem unterstützenden Anbieten von Lahm im rechten Halbraum beziehungsweise teils auch im Sechserraum waren die Bayern relativ stabil im Aufbau. Zudem gab es auch noch Thiago, Müller und teilweise auch Bernat, die sich in den Spielaufbau einbanden.

Apropos Thiago: der Spanier positionierte sich in dieser Partie in relativ hohen Zonen und agierte teilweise auch mit den Stürmern auf derselben Höhe. Guardiola hatte anscheinend vor, die sensationelle Ballbehandlung und -führung seines Schützlings in verdichteten Räumen einzusetzen und die Ballzirkulation aufrechtzuerhalten, was Thiago in einigen Szenen grandios unter Beweis stellen konnte. Auf die möglicherweise entscheidende Rolle des Bayern-Mittelfeldspielers kommen wir aber später im Artikel noch zurück.

Wie bereits erwähnt, war es für die Bayern nur sehr schwer, über das Zentrum mit Flachpässen eine geordnete Ballzirkulation nach vorne aufzuziehen. Doch aufgrund der breiten Positionierung von Rafinha und Benatia war es Weiser und Bernat möglich, relativ hoch zu stehen und die Breite im Spiel zu geben. Da sich die Dortmunder darauf beschränkten, das Zentrum zu verdichten, konnten somit Alonso sowie insbesondere Boateng ihre oftmals sehr guten Diagonalbälle in den Spielaufbau einstreuen und das Spiel in das zweite oder gar dritte Spielfelddrittel verlagern.

All diese Aspekte, sprich höchst stabiler und weiträumiger Spielaufbau, hervorragende Diagonalbälle von Alonso und vom herausragenden Boateng, Flügel-Vorstöße über Rafinha und Benatia sowie Ablagen von Lewandowski, sorgten für eine unheimliche Ballsicherheit Bayerns und wenige Ballbesitzphasen bei Dortmund. Mussten die Bayern allerdings pressen, dann taten sie das in einem 3-4-1-2-artigen Gebilde, mit Lewandowski und Müller vorne sowie Thiago zentral. Die beiden Flügelverteidiger Bernat und Weiser schoben aber manndeckend auch in die Halbräume, wenn Gündogan oder Blaszczykowski angespielt wurden.

Nachdem die Bayern in der ersten Hälfte, die von vielen Münchner Chancen geprägt war, die Dortmunder beim Kontern ausgekontert hatten, übernahm die Truppe um Noch-Trainer Jürgen Klopp im zweiten Abschnitt zusehends die Oberhand und konnte dann auch den Ausgleichstreffer erzielen. Mit der Auswechslung vom überragenden Thiago und der später katastrophalen Ein-/Auswechslung vom nun erneut verletzten Robben schienen die Bayern den Faden verloren zu haben. Pep stellte in der Verlängerung auf ein 4-1-4-1 mit Alonso als Sechser und Lahm beziehungsweise einem vorstoßenden Schweinsteiger als Achter in den Halbräumen sowie Götze und Weiser als Flügelstürmer um. Zudem erzeugten die Bayern ungeheure personelle Präsenz in der Dortmunder Hälfte und hätten durch weitere Chancen das Spiel wieder für sich entscheiden können. Klopp hingegen stellte um auf ein defensiv-ausgerichtetes 4-4-2, was nach der unnötigen Gelb-Roten von Kampl zum 4-4-1 wurde, und konnte schlussendlich in einem Slapstick-Elfmeterschießen ein packendes DFB-Pokalhalbfinalspiel für sich entscheiden.

Der Plan gegen seinen Herzensklub: Wie geht Pep gegen Barça vor?

Zwei Spiele. Zwei Mal die Bayern. Zwei Mal ging es gegen den BVB. Und doch könnte die Marschrichtung Peps in beiden Spielen kaum unterschiedlicher sein. Nach einem auf Stabilität fokussierten ersten Spiel mit einem interessanten 5-3-2 und starken Raumverdichtungen griff der katalanische Startrainer erneut in die Trickkiste und schickte seine Mannschaft mit einem präsenteren Plan auf das Feld, der neben Stabilität im Aufbau und der Ballzirkulation auch noch sehr starke Durchbrüche auf den Flügeln zum Vorschein brachte. Doch die Frage aller Fragen, die man sich nun stellt: Wie geht Pep gegen Barça vor ?

Interessant wird erst einmal zu sehen sein, wie sich das Ballbesitz-Verhältnis zwsichen diesen beiden Mannschaften aufteilen wird. Mit Thiago und Alonso im Aufbau/in der Ballzirkulation, der Torwartkette mit Neuer sowie Boatengs und Alonsos unglaublich präzisen Diagonalbällen können die Münchner ihre Ballzirkulation für eine sehr lange Zeit stabil aufrechterhalten und gleichzeitig in höhere Zonen stoßen. Doch auch die Katalanen besitzen mit ihren “Ballmagneten” Messi, Busquets sowie Iniesta Spieler, die allein schon aufgrund ihrer Vergangenheit in La Masia nur schwer vom Ball zu trennen sind. Zudem scheint Luis Enrique in dieser Saison ein Mittel für lange Ballbesitzphasen in höheren Zonen gefunden zu haben. Neben der breiten Positionierung von Messi und Neymar auf den Flügeln stehen die Außenverteidiger stets als Anspielstation entweder in der Tiefe nach Vorder- oder Hinterlaufen oder auch nur als Rückpassoption zur Verfügung. Und sollte dieser Passweg verschlossen sein, dann gibt es immer noch den ballnahen Achter in Person von Iniesta beziehungsweise Rakitić im Halbraum. Und auch Luis Suárez leistet mit seinen Bewegungen in die defensiven Halbräume des Gegners eine wichtige Passoption in den relevanten Zonen des Gegners.

Doch wird dieses Duell tatsächlich über den Ballbesitz entschieden? Oder doch über das Pressing? Dass dies heutzutage eine wichtige Facette im Repertoire von Top-Mannschaften darstellt, ist, zugegeben, keine große Überraschung. Insofern wird es aber interessant sein, wie die Pressingausrichtung beider Mannschaften aussehen wird. Gehen die Bayern aufs Ganze und setzen zum aggressiven Angriffspressing an? Oder wird es ähnlich wie im ersten Spiel gegen den BVB punktuelle Angriffspressingphasen geben und eine ansonsten tiefe und eher passiv ausgelegte Pressingausrichtung? Betrachtet man die Verletztenliste der Bayern und die damit gezwungenermaßen schon recht wahrscheinliche Aufstellung mit Spielern wie Alonso, Schweinsteiger und Lahm, die in der Laufgeschwindigkeit wahrlich nicht zu den Besten zählen, dann kann man wohl auf eine ähnliche Ausrichtung wie gegen Dortmund spekulieren. Auch ist es möglich, dass man die Blaugrana über eigene Rhythmus-Wechsel in der Laufintensität kontrollieren und das Spiel in die präferierten Zonen befördern will. 

Bei den Katalanen sieht die Sachlage deutlich klarer und auch entspannter aus. Neben dem typischen Mittelfeldpressing mit einer etwas verdichteten Mittelfeldkette und dem ballnahen Flügelspieler, der etwas tiefer steht, wird es höchstwahrscheinlich, resultierend aus einer guten/schlechten Staffelung beim Mittelfeldpressing, Übergange in Angriffspressingphasen (asymmetrisches 4-4-2 mit einem etwas höher positionierten ballfernen Flügelspieler und ballnahen Mannorientierungen) beziehungsweise Defensivpressingphasen (klassisches 4-4-2/4-4-1-1) geben. Es ist außerdem auch sehr wahrscheinlich, dass Pep seinem Team eine Fokussierung der rechten katalanischen Angriffsseite mithilfe von Überladungen durch Thiago, Lewandowski (sofern er einsätzfähig ist), Müller sowie einem durchbruchsstarken Bernat auf den Weg geben wird. Insofern wird es bedeutend sein, dass auch ein Lionel Messi sich in entscheidenden Phasen am Rückwärtspressing mitbeteiligt (es muss ja nicht immer ein Elfmeter dabei rausspringen).

Abschließend wollen wir nun noch einmal zu den für den FC Barcelona möglicherweise wichtigsten bayrischen Akteuren dieses Champions-League-Halbfinalkrachers kommen.

Der Faktor Alonso

Xabi Alonso ist für die Bayern in vielerlei Hinsicht ein enorm wichtiger Faktor. Der Spanier kann in Ballbesitzphasen den Ball in andere Zonen verlagern aber auch Ballbesitzphasen aufrechterhalten, egal ob nun im Aufbau oder bei Ballzirkulation in höheren Zonen. Hinsichtlich der Stabilisierung von Ballbesitzphasen ist neben seinen präzisen Diagonalbällen auch sein seitliches Abkippen/Ausweichen in den ballnahen Halbraum höchst interessant. Denn Alonso stellt in solchen Fällen nicht nur eine Anspielstation im Halbraum dar, sondern er agiert auch raum- sowie passöffnend für seinen ballführenden Innenverteidiger. Augrund des Ausweichens zieht der Spanier auch eine mögliche Mannorientierung aus dem Zentrum weg und öffnet Passwege ins Zentrum. Ist dies nicht der Fall beziehungsweise lässt die Manndeckung Alonso in diesen Raum alleine gewähren und der Passweg auf die Außen ist frei, dann rückt Alonso wieder zurück in den Sechserraum und ermöglicht dadurch ein potenzielles Zuspiel auf die Außen-/Flügelverteidiger.

Doch wie in so vielen Fällen gibt es auch beim Spanier zwei Seiten der Medaille; konkret zwei Aspekte, die man zu seinen größten Schwächen zählen kann. Zum einen ist der 33-Jährige in seinen kognitiven Eigenschaften hinsichtlich von Körperdrehungen, Ballführung sowie Ballbehandlung situativ stark eingeschränkt. So geschah es, dass im Hinspiel gegen Porto ein Pass von Dante vom Spanier nur unzureichend angenommen wurde. Jackson Martínez nützte diese kleine Unsicherheit sowie die Tatsache, dass Alonso dadurch den Überblick über die Situation verlor und presste den bayrischen ‘Sechser’. Ergebnis dieses Aufwands war schlussendlich ein Ballverlust, der zum Elfmeter führte.

Zum anderen gleicht Alonsos Abkippen zwischen die Innenverteidiger sowie teils auch seine Bewegungen im Sechserraum in vielen Situationen einer einzigen Katastrophe. Nicht nur, dass er dadurch den Aufbau von den Spielern in höheren Zonen isoliert, auch das Timing, bei dem er zum Abkippen ansetzt, ist oftmals nicht optimal, ganz im Gegenteil. Teilweise existieren Situationen, wo er sich völlig unnötig in den Deckungsschatten seiner eigenen Mitspieler abkippen lässt; die darunter liegende Szene sollte diesen Umstand noch einmal grafisch demonstrieren.

Deckungsschatten Alonso

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Hier eine Situation dargestellt im Liga-Spiel gegen Dortmund. Der volle Pfeil steht für die eigentliche Situation; die punktierten zeigen, wie man es besser ausführen könnte. Bernat ist in Ballbesitz, Alonso kippt während einer sehr guten Dortmunder Pressing-Formation zwischen Dante sowie Boateng ab. Doch dadurch bringt sich der Mittelfeldspieler nur in Dantes Deckungsschatten und kann somit nicht angespielt werden. Stattdessen wäre ein kurzer Lauf nach vorne optimaler gewesen, um danach einen dynamischen Angriff initiieren zu können. Hierfür wäre entweder ein sofortiger Pass zu Schweinsteiger, ein Pass zu Müller oder auch zu Lewandowski nach vorne möglich gewesen.

Der Faktor Thiago

Was soll man zum einstigen Barça-Spieler groß sagen? Thiagos Entwicklung unter Pep Guardiola ist in den letzten Jahren exponentiell fortgeschritten. Der Spanier entwickelte sich nur kurz nach seiner mehr als einjährigen Verletzungspause zum unumstrittenen Stammspieler unter Guardiola und gilt als der Hoffnungsträger schlechthin unter Bayern-Anhängern.

Doch was macht Thiago so speziell im Vergleich zu seinen Mitspielern? Der Spanier kann sowohl in hohen Zonen eingesetzt werden, wie im Rückspiel gegen Porto oder auch im Cup gegen Dortmund, er kann aber auch als unterstützender Faktor im Spielaufbau sowie in der Ballzirkulation mit seiner spielerischen Technik für Stabilität und Ballsicherheit sorgen. Der Mittelfeldspieler kann außerdem in verdichteten Zonen seine enorme Dribbelstärke ausspielen, sich aber auch kombinativ bei Überladungen beteiligen. Selbstverständlich ist sein ‘First Touch’ – für einen La-Masia-Absolventen üblich – von hoher Qualität und seine Durchbruchsstärke durch die Halbräume ebenso, unterstützt durch seine Dribbelstärke.

Doch was sind nun die Schwächen des 24-Jährigen? Viele besitzt er zweifellos nicht, doch eine relativ eklatante kann man ausmachen: Thiago neigt dazu, im Abkippen seine Umgebung zu vernachlässigen und das Spielgerät nicht abzulegen. So konnte der FC Porto im Rückspiel häufig für Ballgewinne gegen Thiago sorgen, weil sich dieser zu spät für den Pass entschied. Die Maxime gegen den Spanier wird aber lauten, ihn von Aktionen in gefährlichen Zonen zu isolieren und seine Ballberührungen nur in irrelevanten Bereichen des Spielfeldes stattfinden zu lassen. Zwar käme dann seine Schwäche weniger zum Tragen, dafür deckt man allerdings die breite Palette an Stärken, die Thiago besitzt, ausreichend ab.

Der Faktor Lewandowski

Zu guter Letzt kommen wir zum Star-Neuzugang des FC Bayern München im letzten Transfersommer: Robert Lewandowski. Der Pole zog sich im Halbfinalkracher des DFB-Pokals ernste Verletzungen im Gesicht zu, wird aber wahrscheinlich letzten Endes doch auf dem Platz stehen, auch wenn noch ein paar Fragezeichen hinsichtlich eines komplett fitten Gesundheitszustandes vorhanden sind.

Sportlich gesehen könnten die Bayern die Dienste ihres Stürmers auch mehr als nur gebrauchen. Lewandowski erfüllt nicht nur die üblichen 0815-Aufgaben eines Stoßstürmers, wie sie im Volksmund noch im Gedächtnis geblieben sind. Er sorgt für Überladungen auf den Flügeln, ist durch seine Bewegungen im Zwischenlinienraum sowie die anschließenden Ablagen eine ungeheure wichtige Station für den Spielaufbau (man könnte ihn auch als polnischen Suárez bezeichnen) und kann dynamische Situationen – seien es nun Kontersituationen oder auch Schnellangriffe – sowohl durch Läufe sowie Bewegungen unterstützen als auch selbst initiieren. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch seine hervorragende Körperbeherrschung.

Man muss wahrscheinlich nicht viele Worte darüber verlieren, wie wichtig es für den FC Barcelona sein wird, den Polen aus dem Spiel zu nehmen. Durch Verengung des Zwischenlinienraums mithilfe der engen katalanischen Mittelfeldreihe, guter Nutzung des eigenen Deckungsschattens sowie einer hartnäckigen Zweikampfverfassung von Piqué und Co. sollten die Vorzeichen dafür aber grundsätzlich unter einem guten Stern stehen.

Fazit: FC Barcelona oder FC Bayern München?

Fragen über Fragen haben uns nun durch diesen Artikel begleitet: Wird es ein Fußball-Spektakel der Crème de la Crème? Oder doch nur ein Fußballspiel geprägt von taktischen Pattsituationen? Kommt es zum taktisch gesehen interessantesten Duell seit längerer Zeit? Wird Guardiola den Ballbesitz abgeben? Oder werden die Katalanen tatsächlich im eigenen Stadion kontern? Mittwochabend (ab 20:45) wird es erste Antworten geben. Dann wird der FC Barcelona um die Revanche für die 0:7-Schlappe im Jahr 2013 kämpfen und alles in die Waagschale werfen, um die Schmach von damals auszumerzen. Die Vorzeichen für ein solches Gelingen stehen sehr gut, doch wer die Münchner als reine Sparringspartner abtut, wird der Realität nicht gerecht.

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