Das war kein Fußballfest am gestrigen Abend, aber dennoch ein wohlverdienter Sieg für die Blaugrana. Nur ein einziges Mal kam die Heimmannschaft ins Wanken, hatte aber jederzeit das Geschehen und einen Gegner unter Kontrolle, der ziemlich farblos blieb über die gesamte Spielzeit.
Von Raphael Lugowski
Es ist vollbracht, das Halbfinale in der UEFA Champions League ist gebucht. Letztendlich war das Unterfangen doch leichter, als man es sich als außenstehender Zuschauer vorgestellt hatte. Zu selten fand der AC Milan die richtigen Mittel gegen die hochmotivierten und sehr engagierten Katalanen, und die Körpersprache vieler Spieler kommunizierte nicht das endlose Verlangen nach dem Einzug in die nächste Runde, sondern Resignation und das Bewusstsein, dass es gegen dieses FC Barcelona mehr als nur eines couragierten Auftrittes bedarf. Insgesamt war diese Viertelfinalbegegnung eher ernüchternd und blieb hinter den Erwartungen zurück. Das ganz große Spektakel blieb aus. Der FC Barcelona hat sich in beiden Spielen sehr souverän präsentiert, doch ein bei ihnen bereits oft zu beobachtendes brillantes Spiel blieb den Anhängern des Vereins und des schönen Spiels leider vorenthalten. Es gab sehr ästhetische Akzente im Spiel, doch ein Sturmlauf wie im Champions League-Finale des Vorjahres war es wahrlich nicht. Doch das ist Meckern auf höchstem Niveau. Die Katalanen haben viel investiert und wurden belohnt. Die Wahrheit ist, dass die Fans des FC Barcelona, einschließlich des Verfassers, sehr verwöhnt sind und vielleicht auch den Blick für die Realität verloren haben: Dass ein Halbfinaleinzug mehr wert ist und den Verein weiter voranbringt als ein bloß schönes, aber erfolgloses Spiel.
Mittelfeldorientierte Ausrichtung
Richtungsweisend waren die von Guardiola für die Viertelfinal-Begegnung vorgesehene Aufstellung und das System. Der Trainer ließ die Mannschaft in einem blitzsauberen 3-4-3 auflaufen, bei dem Alves formell die Position im rechten Mittelfeld einnahm. Fabregas rückte in den Sturm neben Cuenca und Messi und in der Abwehr agierten Mascherano, Pique und Puyol auf links. Der gegen Bilbao sehr stark aufspielende Adriano musste zunächst auf der Bank Platz nehmen. Dani Alves tatsächlich als Mittelfeldläufer zu qualifizieren, wäre allerdings verfehlt. Vielmehr war dieser mehr rechter Außenstürmer denn Mittelfeldspieler und nahm eine sehr hohe Stellung auf dem Feld ein; überwiegend hielt er sich im letzten Spielfelddrittel auf. Im Gegenzug orientierte sich Fabregas sehr oft hin zum Mittelfeld und war daher nur ein verkappter Stürmer. Diese Aufstellung bildete die Grundlage für eine sehr mittelfeldorientierte Spielanlage, die auf Dominanz um den Mittelkeis herum angelegt war. Xavi, Busquets, Iniesta, Fabregas und nicht selten auch Alves und Messi begaben sich ins Mittelfeld und sorgten so für Anspielstationen en masse in dem Bereich, von dem man sagt, dass dort Spiele gewonnen und verloren werden. Dieser Umstand ist allerdings nicht ausschließlich positiv zu würdigen. Durch die Enge in diesem Bereich konnten Xavi und Busquets nur schwer ihre Wege abstecken und behinderten sich zuweilen gegenseitig. Dies hatte zur Folge, dass Xavi ein ums andere Mal nach rechts abgerückt ist, um sich Freiraum zu verschaffen. Dadurch wurde er von seinem kongenialen Spielpartner Iniesta isoliert, der wie so oft auf halblinks anzutreffen war.
Das Ende des klassichen Xavi?
Das ist nicht die bevorzugte Spielweise des klassischen Spielmachers, einer der letzten seiner Art. Xavi kontrolliert das Spiel gerne aus dem Zentrum heraus, er ist für gewöhnlich derjenige, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Dass Guardiola in großen Spielen immer mehr von dieser Xavi in den Mittelpunkt rückenden Ausrichtung abrückt, ist ein Statement im Hinblick auf den Fußball der Zukunft. Ein Nostalgiker wird der Zeit, bei dem Xavi der Nabel der Barca-Welt war, nachtrauern. Aber rational betrachtet bringt dieses Umdenken fast nur Vorteile. Ein Spieler mit der Klasse eines Xavi wird auch in diesem System einen Platz finden und seine Stärken akzentuieren können. Es braucht jedoch seine Zeit. Somit trat der FC Barcelona gestern mit nur einem richtigen Stürmer, namentlich Cuenca, an. Der junge Spieler aus La Masia begab sich auf den linken Flügel und war stets anspielbereit. Noch im Hinspiel hat das Spiel der Blaugrana unter der fehlenden Breite gelitten. Iniesta zog es immer wieder in die Mitte und damit entblößte er die linke Seite. Damit konzentrierte sich das Spiel des FC Barcelona auf die Mitte und auf rechts. Aufgrund der Präsenz von Cuenca auf dem linken Flügel gestaltete sich das Spiel der Blaugrana wesentlich breiter. Obschon Adriano gestern nicht von Anfang an spielen durfte und Puyol als linker Verteidiger wie öfters erörtert verhältnismäßig tief und weit entfernt von Cuenca stand, hatte Cuenca eine gute Anbindung zum Spiel. Die Vielzahl von Mittelfeldspielern ermöglichte eine gute Vernetzung der Spieler und abwechselnd Fabregas oder Iniesta banden Cuenca mit in das Spiel ein. Eine gelungene Kompensation des fehlenden offensiven Außenverteidigers.
Eine gute Breite im Spiel
Auf der anderen Seite war, wie bereits erwähnt, Alves vertreten und die Katalanen nutzten die gesamte Angriffsfläche aus, um sich dem Tor zu nähern. In den ersten zehn Minuten kamen sie dreimal gefährlich vor den gegnerischen Kasten. Nach nur fünf Minuten hatte Messi die erste Möglichkeit zur Führung. Mit Tempo lief er auf das Tor zu und kam zum Abschluss, doch sein Schuss war nicht zwingend genug. Fabregas hatte Messis Laufweg gekreuzt, zwei Spieler gebunden und so dem Weltfußballer den hoffnungsvollen Freiraum verschafft. Nur kurz darauf kam der kleine Argentinier wieder zu einer exzellenten Torchance. Bei einer schönen Kombination zwischen Alves und Fabregas ist Messi Endabnehmer, scheitert aber auch diesmal kläglich. Nach zehn Minuten dann das Tor für den FC Barcelona vom Elfmeterpunkt. Messi tritt an und lässt dem Schlussmann mit einem präzisen Schuss keine Chance. Dem war eine starke Balleroberung von Messi auf Höhe der Mittellinie vorausgegangen. Alleine lief er auf das Tor zu und legte im Strafraum noch einmal unnötig auf Xavi quer. Über Umwege gelangte der Ball wieder zum Argentinier und kurz vor dem Schuss wurde er regelwidrig von den Beinen geholt. Doch die Freude währte nicht lange. In der 23. Spielminute kamen die Italiener dann urplötzlich zum Ausgleich. Während die übrigen Verteidiger auf Abseits spielten, tat Mascherano dies nicht und ermöglichte so ein freispielendes Zuspiel von Ibrahimovic auf Nocerino. Dieser ließ sich die Möglichkeit nicht nehmen und vollendete zum Ausgleich für den AC Milan. Mascherano stand zwei Meter hinter seinen Mannschaftskollegen, sodass Puyol und Pique aus dem Augenwinkel nicht erkennen konnten, dass Mascherano das Abseits aufgehoben hat.
Strittiger Elfmeter
Darüber hinaus kam aber nur wenig vom AC Milan. Das intensive und pressingbetonte Spiel der Blaugrana machte ihnen auch diesmal wieder das Leben schwer, sodass sie sich auf aussichtslose hohe Zuspiele beschränken mussten. Vor der Pause prüfte Xavi noch seine Schussqualitäten, doch sie entpuppten sich als unzureichend für einen zählbaren Erfolg. In der 40. Spielminute dann die strittigste Szene der Partie. Bei der Ausführung eines Eckballs wird Busquets von Nesta am Trikot gezerrt und der Unparteiische entscheidet auf Elfmeter. Eine vertretbare, aber harte Entscheidung gegen die Italiener. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass Nesta seinerseits von Puyol am Trikot festgehalten worden ist. Auch diesmal bleibt Messi cool und vollendet sicher zur erneuten Führung für die Gastgeber. Kurz vor der Pause hätte er sogar noch erhöhen können, doch die Hereingabe war zu schnell für ihn und er konnte den Ball nicht mehr kontrollieren. Nach der Pause wechselte Cuenca die Seite und ging auf rechts. Alves agierte demzufolge nun defensiver und die linke Seite im katalanischen Offensivspiel verwaiste wie im Hinspiel. Dem wurde erst abgeholfen, als Adriano für den verletzten Pique in die Partie kam. Puyol rückte in die Innenverteidigung. Von Milan war weiterhin kaum etwas zu sehen.
Bescheidene zweite Halbzeit
Während der Freistoß von Xavi kurz nach Wiederanpfiff nur knapp am Tor vorbeiging, machte es Iniesta nur wenige Minuten später besser und brachte das Spielgerät im Tor des AC Milan unter. Messi hat von der Strafraumkante aus abgezogen und wurde bei diesem Schussversuch geblockt. Der Ball landete bei Iniesta und die Feier im Camp Nou nahm seinen ersehnten Lauf. Das Spiel flachte in der Folge deutlich ab und man spürte deutlich, dass die Katalanen von nun an vor allem auf Ergebnissicherung bedacht waren. Die Angriffe wurden nicht mehr mit dem Elan aus Halbzeit 1 durchgeführt und auch der aufopfernde Einsatz im bisherigen Spielverlauf forderte seinen Tribut. Nichtsdestotrotz ergaben sich für die Blaugrana ausgezeichnete Tormöglichkeiten. In der 69. Spielminute ist nach einem schönen Zuspiel von Messi Thiago auf links frei durch und zieht den Ball knapp am rechten Pfosten vorbei. Das war die Chance zur endgültigen Vorentscheidung. Kurz vor Abpfiff der Partie taucht Adriano nach einem wundervollen öffnenden Pass von Maschernao frei vor Abbiati auf, verzieht aber kläglich. So blieb es schließlich beim verdienten 3:1 für den FC Barcelona, der auf den Sieger aus dem Spiel zwischen dem FC Chelsea und Benfica Lissabon trifft. Dann kommt unter Umständen auch der Glanz des Sonderbaren in das Camp Nou zurück. Visca el Barca!
Dieser Artikel ist unserem Moderator, barca17, gewidmet. Gute Besserung Barca17!