Benfica Lissabon gegen FC Barcelona: Taktikrückblick

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Bildquelle: fcbarcelona.com

Nach dem überzeugenden 2:0 gegen Benfica Lissabon hat der FC Barcelona wettbewerbsübergreifend, wenn man das Rückspiel in der Supercopa in Madrid hinwegdenkt, nun schon acht Pflichtspiele in Folge siegreich gestalten können – eine beeindruckende Statistik. Unter den Spielen waren einige schwere Spiele dabei, aber auch dankbare Gegner, die den Katalanen kaum gefährlich werden konnten. Der gestrige Gastgeber war keineswegs Fallobst und hätte in der 11. Minute sogar ausgleichen müssen. Um aber tatsächlich nach dem Sieg zu greifen, fehlten dem Team aus Portugal die erforderliche Aggressivität und die zwingenden Aktionen. Insofern handelte es sich eher um ein Aufbauspiel und nicht um die Simulation des Ernstfalles mit Blick auf das Clásico am kommenden Sonntag.

Benfica kommt kaum zu Chancen

Tito Vilanova überraschte viele mit seiner Aufstellung, in der sich der kürzlich wiedergenesene Kapitän Carles Puyol einfand. In der Innenverteidigung ersetzte Puyol den Kameruner Alexandre Song, zu dem der Trainer dem äußeren Anschein nach noch nicht genügend Zutrauen gebildet hat. Eine im Nachhinein betrachtet sehr unglückliche, wenn auch richtige Entscheidung. Puyols Leistung zeigte bis zu seinem schmerzlichen Abgang kaum Ausfallerscheinung und war überwiegend solide. Im Übrigen vertraute Vilanova auf jene Mannschaft, die auch das schwere Auswärtsspiel in Sevilla in Angriff nahm. Das System bildete einmal mehr das 4-3-3, was aber angesichts der Verschmelzung der Aufgabenbereiche im katalanischen Ensemble für sich genommen keinerlei Aussagekraft enthält.

Mit diesen Spielern gelang es dem FC Barcelona, alsbald nach Anpfiff der Partie die Kontrolle über das Spielfeld zu erlangen. Benfica Lissabon agierte in der ersten Halbzeit unerwartet passiv und wartete geduldig die Bemühungen der Blaugrana ab. In einem 4-5-1 System erwarteten sie den Gegner und versuchten primär über ihre Raumordnung die Gefahrenquelle im Zaum zu halten. Bei Ballgewinn standen nicht schnelle Konter im Vordergrund ihrer Angriffsversuche, sondern ein gepflegtes Aufbauspiel, mit dem sie die Katalanen stückweise nach hinten drängen wollten. Gegenkonter gab es vereinzelt zwar auch, doch waren diese nur ein kleiner Teil des Angriffsrepertoires und mitnichten das einzige Mittel, um sich dem Tor von Victor Valdés zu nähern. Für gewöhnlich legen die Kontrahenten des FC Barcelona immer überwiegenden Wert auf ein schnelles Umschalten, um die Phase der Un- und Umordnung für ihre Zwecke auszunutzen. In diesen Spielsituationen ist eine Mannschaft immer sehr verwundbar, insbesondere auch der FC Barcelona, der sich im Normalfalls sehr offensiv positioniert – ein Grund für das starke Gegenpressing des Teams bei Ballverlusten.

Von Erfolg gekrönt war diese Vorgehensweise aber nicht unbedingt. Benfica erspielte sich in der ersten Halbzeit nur wenige Chancen und kam nur äußerst selten vor das gegnerische Tor. In der elften Minute gab es eine hundertprozentige Chance für den Gastgeber, die Victor Valdés zu entschärfen wusste. Ein Schnittstellenpass hatte die Hintermannschaft des FC Barcelona in die Bredouille gebracht, die Zuordnungen stimmten nicht. Mascherano läuft seinem Gegenspieler hinterher, Puyol versperrt den direkten noch gefährlicheren Passweg, wohingegen Alves in dieser Situation funktionslos ist. Darüber hinaus aber konnten die Portugiesen kaum Chancen aus dem Spiel heraus verzeichnen. Ihre Angriffe scheiterten an der Verteidigungsstrategie der Katalanen, die den ballführenden Spieler wie immer von den Mitspielern zu isolieren suchten. Um dieses Ziel zu erreichen, kam es nicht selten vor, dass die Innenverteidiger, Mascherano oder Puyol, aus ihrer angestammten Position herausrückten und den im zweiten Spielfelddrittel weilenden Gegenspieler zusätzlich anliefen, um ihnen den Raum und die Zeit zu nehmen. Die Abwehr entblößten sie bei diesem Vorgehen nicht, da sie ausschließlich dann herausrückten, wenn die Anzahl der Verteidiger hinreichend war, um sich gegen den einzigen Spieler im Sturmzentrum zu erwehren. 

“Rollentausch” beim ersten Tor, Messis Torlosigkeit

In der Offensive kamen die Mannen von Tito Vilanova trotz eines 4-5-Riegels zu guten Tormöglichkeiten, von denen bereits die erste in einem Tor mündete. Bereits in der sechsten Minute war es so weit und Sánchez konnte sich in der Torjägerliste verewigen. Interessant ist die Entstehungsgeschichte dieses Tores. Ausgangspunkt des Angriffs ist Jordi Alba, der im zweiten Spielfelddrittel auf halblinks, also auf der Iniesta-Position, den Ball erhält. Alba bedient sofort den Flügel, auf dem nicht etwa Sánchez lauert, sondern Xavi, der sich dorthin begeben hatte. Sánchez ist ins Zentrum eingerückt und bindet zusammen mit Messi den Außen- und Innenverteidiger von Benfica. Anschließend schaltet sich Alba mit in das Angriffsspiel ein, wird von Xavi gecovert und leitet mit einem Doppelpass mit Lionel Messi das Tor durch Sánchez ein, der immer noch nicht von dem Zentrum abgerückt ist. Insofern fand hier ein Rollentausch statt: Messi, die “Falsche 9” des FC Barcelona, begab sich auf den Flügel und bereitete dem linken (inversen) Flügelstürmer das Tor vor. 

Allgemein ist es in den letzten Spielen sehr augenfällig, wieviele Tore Lionel Messi seinen Mannschaftskameraden aufgelegt hat. Er kam nicht sehr häufig in abschlusswürdige Situationen, dafür seine Mitspieler umso mehr, die von seiner Vorarbeit profitierten. Messi interpretiert weiterhin die “Falsche 9”, das hat sich auch in dem gestrigen Spiel wieder einmal gezeigt; die Veränderung im Spiel des FC Barcelona erschließt sich einem aber dann, wenn man die Laufwege der Flügelstürmer und der anderen Spieler analysiert. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Gegner Messi nun besser in den Griff bekommen haben oder das Messi seine Torgefährlichkeit eingebüßt hat. Vielmehr stellt sich die Lage so dar, dass die anderen Spieler nun nicht mehr ausschließlich für Messi “arbeiten” und für ihn Räume schaffen, indem sie die Aufmerksamkeit der Gegenspieler auf sich ziehen. Sie sind im zunehmenden Maße darum bestrebt, sich selbst in eine günstige Ausgangslage zu begeben und zum Abschluss zu kommen. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass Messi seltener im Zentrum anzutreffen ist, sondern bei seinem Spiel etwas tiefer ansetzt. Inwiefern diese Beobachtung eine Einzelerscheinung ist, die von der Spielweise des Gegners abhängt, wird sich im Laufe der Zeit zeigen müssen. Fest steht jedenfalls, dass der FC Barcelona viele Tore erzielt, an denen “La Pulga” zwar mittelbar als direkter Vorbereiter oder Initiator beteiligt ist, die aber nicht seinem Torkonto gutgeschrieben werden. 

Bälle hinter die Abwehr, Gegenpressing und individuelle Fehler

Das sollte aber nur eine Zwischensequenz unserer Eröterung sein. Eine tiefere Befassung mit dieser Thematik folgt auf Barçawelt, wenn sich diese ersten Erkentnisse in den nächsten Spielen bestätigen. Zurück also zum Lissabon-Spiel. Das Tor in der 6. Spielminute sollte nicht die einzige Tormöglichkeit für die Katalanen in der ersten Halbzeit bleiben. Die Abwehrreihe von Benfica stand ziemlich hoch und erlaubte es dem Gast, lange Bälle hinter die Abwehr einzustreuen. In der 15. Spielminute spielte Busquets einen solchen Ball auf Lionel Messi, der sich in einer Eins-gegen-eins-Situation mit dem linken Innenverteidiger wiederfand, den hohen Ball aber nicht sofort unter Kontrolle bringen konnte. Nur eine Minute später wieder ein langer Ball aus der eigenen Hälfte heraus, diesmal vom Kapitän Puyol. Fàbregas ist in die Spitze gelaufen und hatte mit dem rechten Innenverteidiger nur einen Gegenspieler zwischen sich in dem Tor. Auch hier hätte eine bessere Ballmitnahme zu einer hochkarätigen Torchance führen können. Besser bei der Ballmitnahme machte es Alexis Sánchez, der von Xavi bedient worden war und in einem diagonalen Lauf seinen unmittelbaren Gegenspieler, den rechten Außenverteidiger abschüttelte und zum Abschluss kam. Lediglich die Präzision ging seinem Versuch ein wenig abhanden. 

Auch nach dem Gegenpressing hätte der FC Barcelona zum Erfolg kommen können. Exemplarisch hierzu kann die 22. Minute herangezogen werden, in der Busquets den Ball bilderbuchartig im Gegenpressing erobert, Sánchez auf der verwaisten Außenbahn anspielt und dieser den Ball zu Lionel Messi weiterleitet. Der Schlussmann kann den Schuss von Messi aber mit Mühe parieren. Hohe Bälle und das Gegenpressing machten also im ersten Durchgang die Musik sowieso die etwas atypische Situation in Minute 6, die letztlich die Führung für den FC Barcelona bedeutete. Das direkte Kombinationsspiel auf der linken Außenbahn, das eher selten zum Vorschein trat, war ebenfalls ein vielversprechendes Mittel, sich dem gegnerischen Tor gefährlich zu nähern. Der rechte äußere Mittelfeldspieler und der Außenverteidiger von Benfica schauten häufig nur zu und ließen Sánchez und Alba gewähren. Da die innere Verbindung der Spieler beim Gegner ziemlich lose war und die Innenverteidiger zuweilen auch zu stark rausrückten, kam der FC Barcelona einmal auch nach einem Schnittstellenpass zu einem guten Abschluss. 

Ansonsten waren es auch individuelle Fehler, die dem Gast Möglichkeiten bescherten. In der 41. Spielminute lässt sich der rechte Außenverteidiger Benficas zu weit von Sánchez heraustragen, bis an die Mittellinie, und eröffnet Jordi Alba einen schönen Freiraum, in dem er hineinstoßen kann. Eine brenzlige Situation für Benfica, die nur mit sehr viel Glück glimpflich verlaufen ist. In der zweiten Halbzeit änderte sich kaum etwas am Spielbild. Benifca stand weiterhin weit weg vom Mann und vermochte zu keinem Zeitpunkt den FC Barcelona in ernsthafte Verlegenheit zu bringen. Im Gegenzug kam Barcelona weiterhin zu guten Tormöglichkeiten, die im zweiten Durchgang nun auch von den Dribblings und den Kombinationen Messis herrührten. Kurz nach der Pause kommt der kleine Argentinier zwischen den Ketten an den Ball, zieht in Richtung Tor und steckt den Ball zu Sánchez, der das Tor nur knapp verfehlt. An dieser Chance hatte Fàbregas maßgeblichen Anteil. Durch seinen von Sánchez wegführenden Lauf hat er den rechten Außenverteidiger von Benfica gebunden und die linke Flanke für Sánchez damit frei gemacht. Fàbregas scheint sich nach seinem Doppelpack an vergangenen Wochenende im Aufwind zu befinden. Ein Mitgrund für die Leistungssteigerung dürfte darin zu erblicken sein, dass er nun erkennbar mehr Freiheiten im Spiel genießt als unter Guardiola. Ob im Mittelfeld oder im Sturmzentrum – es gibt keinen Ort auf dem Platz, den Fàbregas im Verlauf eines Spiels nicht besichtigt.

Betonung der Qualitäten von Fàbregas?

Es verwundert vor diesem Hintergrund kaum, dass er häufiger in Situationen gerät, in denen er zum Torerfolg kommen kann. Sein Spiel ist deutlich vertikaler geworden, es zeichnet sich durch einen größeren Bewegungsradius aus. Sein Weg in die Spitze vor dem Tor in der 56. Spielminute ist nur ein Beispiel dafür. Inwiefern das vertikalere Spiel von Fàbregas und die (systematisch) tiefere Positionierung durch Messi in einer Wechselwirkung stehen, muss sich in den nächsten Spielen noch zeigen. Der Verdacht liegt aber nahe, dass hier eine kleine Umstrukturierung zugunsten der Spielweise von Fàbregas stattgefunden hat, ohne die Qualitäten von Lionel Messi zu beschneiden. Wenngleich Messi kein Tor in den letzten beiden Partien erzielt hat, war er an allen Aktionen zumeist als Passgeber beteiligt. Die weitere Entwicklung bleibt aber abzuwarten. 

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