Barça gegen Juve: Prestige, Respekt und Spielkultur

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Der FC Barcelona wird im Viertelfinale der Champions League auf Juventus Turin treffen. Sowohl der FCB, als auch der italienische Meister haben in den vergangenen Jahren wesentliche Veränderungen in der Kaderstruktur durchlebt. Das spanisch-italienische Austoben auf dem Transfermarkt hat auf beiden Seiten für Neuzugänge wie Samuel Umtiti, Lucas Digne, André Gomes, Gonzalo Higuain, Miralem Pjanic oder Paolo Dybala gesorgt. Gerade weil die kommenden Duelle aufgrund des neuen Personals wenig mit dem Champions-League-Finale von 2015 gemein haben werden, entfacht der Gedanke an den 11. und 19. April pure Nostalgie.

Flashback: Berlin 2015. Es läuft bereits die siebte Minute der Nachspielzeit. Pedro Rodríguez legt das runde Spielgerät quer rüber auf Neymar Jr. Der Brasilianer stoppt den Ball mit der linken Innenseite und schiebt die Kugel dann flach an Torwartlegende Gianluigi Buffon vorbei ins lange Eck.

Es ist der erlösende Höhepunkt einer individuellen und kollektiven Brillanz, die durch eine geschlossene Teamleistung über die Rückrunde der Saison 2014/15, weltweit ihres gleichen gesucht hatte. Barcelonas klassisches 4-3-3 wird zu jener Zeit zur uneinnehmbaren Festung und zugleich zum offensiven Feuerwerk. Angeführt von den drei südamerikanischen Kanonieren Messi, Suárez und Neymar spielt die Mannschaft von Luis Enrique variabel, effektiv und geschmackvoll.

Als der letzte Pfiff des Schiris ertönt, fließen bei Andrea Pirlo die Tränen, Andrés Iniesta und Claudio Marchisio umarmen sich brüderlich und das blaurote Fahnenmeer bebt, aber spottet nicht über die ‚Zebras‘. Es war ein Spiel der großen Namen und der feinen Gesten. Eine faire Partie, die mit gerade einmal drei Gelben Karten für die Rowdies Suárez und Vidal und den schlaksigen Pogba auskam. Es war auch ein Finale ohne Hochmut und schlechte Verlierer. Denn als Xavi seinen Arm um Pirlo legt kann der Italiener sich sogar ein Lächeln abringen.

Anerkennung für den Gegner

Als eines der vielen Sinnbilder für Turins faires Verlieren gilt die Aussage von Juve-Fan und Onefootball Praktikant Adriano Frigoli: „Ja, ich meine, wir haben unser Spiel gemacht, die zweite Halbzeit war auch sehr gut aber dann haben wir es nicht geschafft. Aber vielleicht nächstes Jahr. Sie (Barça) waren etwas glücklich beim zweiten Tor, aber natürlich waren sie auch sehr stark. Wir sind so oder so stolz auf das Team. Wir haben nach unserem Tor daran geglaubt, aber so ist nun mal der Fußball. Wir sind glücklich darüber, es in das Finale geschafft zu haben.“

Nach dem Spiel hoben zudem Luis Enrique und Ivan Rakitić die Leistung des Gegners hervor. So meinte der Trainer: „Sie haben uns leiden lassen und uns gezwungen, mehr Chancen herauszuspielen. Ich glaube, dass es ein großartiges Finale gewesen und es auf beiden Seiten sehr spektakulär zugegangen ist.“ Der Kroate ergänzte: „Ich würde an dieser Stelle auch Juventus gratulieren, die hier genauso eine großartige Vorstellung geboten haben.“

Alte und neue Gesichter

Gerade einmal zwei Jahre ist das letzte Aufeinandertreffen zwischen den beiden Traditionsvereinen her, und dennoch schwingt bei einem Blick auf die beteiligten Akteure der Hauch einer prähistorischen Zeit mit. In der Startaufstellung von Turin standen damals neben Pirlo auch illustre Namen wie Vidal, Tévez, Morata und Pogba. Mittlerweile sind die Koryphäen und Jungstars alle dem Ruf des Geldes oder der vermeintlich besseren sportlichen Perspektive gefolgt. Mit Ausnahme von Stefano Stuaro hat sogar die damalige Ersatzbank von Juve die italienische Metropole längst hinter sich gelassen und nichts mehr mit den heutigen Einwechselkandidaten gemein. Trotz Pogbas Abgang hat sich mit Higuain bereits der nächste Top-Star in den Dienst der ‚Alten Dame‘ gestellt. Der Argentinier, der bislang auf 19 Tore in der Liga kommt, wird neuerdings auch tatkräftig von seinem 21-Jährigen Landsmann Paolo Dybala (acht Tore und fünf Assists) unterstützt. Neben der erfahrenen Defensive rund um Bonucci und Co. steht Juves Angriff für Durchschlagskraft und wenn es darauf ankommt für Höchstgeschwindigkeit. Für die zentrale Stabilität sorgen unter anderem Pjanic und Ex-Madrilene Khedira. Auch die latente On-Off-Beziehung zwischen Juan Cuadrado und den Italienern könnte nun auf Eis gelegt worden sein. Nachdem der pfeilschnelle Flügelspieler zwischen seinem aktuellen Arbeitgeber und dem FC Chelsea hin- und hergeschoben wurde, hat er in dieser Saison bereits 31 Pflichtspiele in der Serie A absolviert. Ebenfalls über die rechte Seite kommt kein Geringerer als Barcelona-Legende Dani Alves. Im Zuge seines Wechsels nach Italien scheint der Abwehrspieler mit Offensivdrang wenig von seiner Effizienz und seinem Charisma eingebüßt zu haben – dafür steht seine hohe Anzahl an Torbeteiligungen und die wechselseitige Kommunikation mit den Sturmkräften.

Beim FC Barcelona fallen die Neuverpflichtungen hingegen mit Ausnahme von Samuel Umtiti noch nicht so stark ins Gewicht. Während der Franzose als perfektes Bindeglied zwischen Piqué und Mascherano funktioniert, konnten Spieler wie Paco Alcácer, André Gomes und Lucas Digne zwar für die nötige Kaderbreite sorgen, aber dem katalanischen Spiel noch nicht ihrem Stempel aufdrücken. Auch der Abgang von Altmeister Xavi konnte zwar von Ivan Rakitić weitestgehend kompensiert werden – in der laufenden Saison schwanken die Leistungen des Ex-Schalkers jedoch hin und wieder. Barça hat sich im Vergleich zu 2015 in den wesentlich Bereichen der Verteidigung und des Mittelfelds verstärkt. Die konkreten Rollen von D. Suárez und Rafinha Alcántara – die ihr riesiges Potential nicht immer ausschöpfen können – bleiben bislang aber ungewiss, in einem Starensemble, das primär auf den Flügeln einen Alexis Sanchez, Pedro Rodríguez oder Cristian Tello als Geschwindigkeits-Backup vertragen könnte. Neben Spielern, die in Barças schönem Spiel keinen Fuß fassen konnten, wie Vermaelen, Douglas, Adriano oder Bartra, musste sich Präsident Bartomeu eben auch von Identifikationsfiguren wie Pedro oder Xavi verabschieden. Ob die neuen jungen Akteure die früheren und aktuellen Stammspieler adäquat ersetzen können, wird sich in den drei verbleibenden Spielen vor dem Viertelfinale prognostizieren.

Die Performance beider Teams in der Gegenwart

Fakt ist: Die beste Offensive und die stärkste Defensive werden in der Königsklasse aufeinanderprallen. Buffon und seine Abwehrreihe haben bislang sage und schreibe zwei Tore in allen CL-Spielen zugelassen. Barça hält hingegen mit 26 erzielten Treffern den Bestwert. Juve bringt zudem nach Bayern und Barcelona die meisten Pässe an den Mann. In der Serie A ist Juventus tabellarisch betrachtet die unangefochtene Nummer eins. Das Torverhältnis gestaltet sich in der Liga zwar nicht ganz so spektakulär wie das der Katalanen in der Primera División, dennoch sind 73 gewonnene Punkte nach 29 Spielen ein beachtlicher Wert. Auch im italienischen Pokal stehen die Chancen gut für Massimiliano Allegris Mannen in das Endspiel einzuziehen.

Im Vergleich zu Turin muss Barça derzeit mehr über die Willensstärke und die taktischen Ideen des Trainers in hochklassige Spiele finden. Lionel Messi führt die Torschützenliste in der Champions League mit elf Treffern an, während Neymar bereits acht Assists vorzuweisen hat. Im sensationellen Sieg über Paris fielen zwar sechs Tore, jedoch wurden diese überwiegend mit Körperlichkeit, Willenskraft und individueller Klasse erzielt, als mit besonders schönen Spielzügen. Bei den Katalanen läuft spielerisch nicht mehr alles wie in einem Guss. Dafür scheint sich die Mannschaft derzeit in einem Schlüsselmoment zu befinden, in dem sich entscheiden könnte, mit wie vielen Titeln Cheftrainer Luis Enrique seine letzte Saison beim amtierenden spanischen Meister beenden wird. Es ist eine Phase, in der die Qualität als Team wie nie zuvor gefragt sein könnte, in der jeder Spieler etwas zum Erfolg des FC Barcelona beitragen könnte.

Barças individuelle Klasse überwiegt immer noch, dennoch greifen die Mannschaftsteile von Juventus aktuell etwas besser ineinander als beim FC Barcelona. Für Enrique und Allegri, die wohl beide vor einem Abschied von ihren Vereinen stehen, könnte ein mögliches Triple Ansporn genug sein, die Mannschaftsleistungen noch einmal zu Höchstwerten zu peitschen.

Ausblick

Bis zum ersten Aufeinandertreffen in der diesjährigen Ausgabe der Königsklasse trifft Barça noch auf Granada, Sevilla und Málaga. Juventus bekommt es hingegen mit Schwergewicht Neapel und Chievo Verona zu tun. Tendenziell könnte hier aber aufgrund der geringeren Spielanzahl der Vorteil leicht aufseiten der Italiener liegen.

Dass man in Turin etwas davon versteht, das Alte mit dem Neuen zu verbinden, dafür steht nicht nur das neue Vereinslogo. Juventus wird eine Prüfung. Dafür hat nichts einen höheren Symbolcharakter als der Wechsel von Dani Alves. Rückblickend erscheint es heute fast so, als hätte der Abgang des heißblütigen Außenverteidigers auch eine neue Relevanz für die taktische Ausrichtung Barcelonas zur Folge. Mit der Anwesenheit von D. Suárez, Rafinha und allen voran Sergi Roberto ist die Existenz des einen gesetzten Rechtsverteidiger verschwunden. Vielmehr scheint sich Enrique – auch bedingt durch den Ausfall von Aleix Vidal – auf eine hybride Mischung aus zentralen und offensiven Mittelfeldspielern zu verlassen, deren Effektivität erst im kürzlich angewendeten 3-4-3 in Erscheinung trat. Es ist ein höchst emotionaler Risikofußball, der zwar für Überzahl in der gegnerischen Hälfte, aber auch für eine stärkere Konteranfälligkeit sorgt, wie das Rückspiel gegen PSG und das Duell gegen den FC Valencia offenbarten. Auch für Alves, der bei Juve schon vier Scorerpunkte in sieben CL-Spielen zu verzeichnen hat, könnten es zwei emotionale Partien werden, vor allem dann, wenn ihm sein bester Kumpel Neymar mit Höchsttempo auf der Außenbahn entgegen flitzen wird.

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