Der FC Barcelona vergab bei der UD Levante den Sieg leichtfertig – weil im zweiten Durchgang die Mannschaft verwirrt und desorganisiert wirkte. Cheftrainer Ronald Koeman stellte viel um, doch seine Wechsel funktionieren nicht, waren sogar kontraproduktiv. Die Brennpunkte zu Barcelona vs. Levante.
Dreier-, Vierer-, oder doch Fünferkette?
Spätestens nach Barcelonas fahrlässig verschenktem Sieg gegen UD Levante ist sich wohl keiner mehr so wirklich sicher, wie praktikabel die Ideen Ronald Koemans in der Defensive weiterhin sind. Der niederländische Cheftrainer wurde in der Vergangenheit viel gelobt für seinen Mut, mehr Variabilität in das Spiel der Katalanen zu bringen. Mal spielte Frenkie de Jong als Innenverteidiger, dann spielte Koeman defensiv mit einer Dreierkette, änderte das System auf eine Viererkette und wechselte wieder zurück. Keine Frage, es funktionierte und brachte Siege.
Doch am Dienstagabend standen selbst den Barça-Spielern die Fragezeichen über den Köpfen. Mit Ousmane Dembélé entschied sich Koeman gegen einen typischen Wingback und mehr für einen offensiveren Spieler, davon ausgehend, dass Levante dominiert werden würde. Das führte zu einer Konstellation, die nicht nur auf den ersten Blick hochkomplex erschien. Weiterhin wollte man nämlich nicht von der Defensiv-Dreierkette abweichen und spielte ein Hybrid aus Dreier-, Vierer- und Fünferkette – je nach Situation veränderte sich das.
Im Wissen, dass die Defensivarbeit nicht zu Dembélés Steckenpferden zählt, wich Barça immer wieder auf eine Viererkette aus. Ronald Araujo ging auf Rechtsaußen, Jordi Alba stand wie gewohnt auf seiner linken Seite, diesmal nur etwas tiefer. Offensiv konnte man dann wieder die Dreierkette erkennen mit Jordi Alba und Ousmane Dembélé auf den Flügeln. Doch sollte Levante mal längere Ballbesitzphasen haben, ging das Team Koemans sogar über in eine Fünferkette.
Bei den vielen Wechseln seiner Position wirkte Dembélé – der immerhin offensiv für einige Belebung sorgte (Barçawelt-Note 8) etwas orientierungslos. Der Franzose bekam häufig die Anweisung von Ronald Araujo, er soll auf den Mann gehen oder wieder zurückkommen. Dem ganzen Hin und Her setzte Koeman im zweiten Durchgang die Krone auf, als er Sergi Roberto einwechselte, der zeitweise sogar die Position des rechten Innenverteidigers der Dreierkette einnahm. Auch auf die Viererkette stellte Barças Coach später um. Durch die Einwechselung von Oscar Mingueza ging Sergi Roberto dann ins zentrale Mittelfeld und es änderte sich wieder alles.
All diese Personal- und Positionsrochaden schienen der Mannschaft nicht unbedingt zu helfen, sie vielmehr eher zu verwirren. In der Verteidigung müssen die Absprachen und Abstände zwischen den Spielern stimmen – das war im zweiten Durchgang nicht gerade der Fall. Das ständige Wechseln und Durchtauschen hat zur Stabilität der Hintermannschaft beim 3:3 in Levante nicht beigetragen.
Koemans fragwürdige Wechsel
Wenn Ronald Koeman schon die ständigen Systemwechsel in der Verteidigung zum Vorwurf gemacht werden, dann sind auch seine Einwechslungen mindestens fragwürdig. Einer der noch nicht erwähnt wurde, ist Sergiño Dest. Er reihte sich am Dienstagabend zu den eingewechselten Rechts-Hybridverteidigern Sergi Roberto und Oscar Mingueza ein. Richtig, drei nominelle Rechtsverteidiger wechselte Koeman bei seinem Comeback nach seiner Zwei-Spiele-Sperre ein.
Auffällig dabei war, dass er Sergi Roberto zur Pause für Araujo brachte – und nicht etwa den defensiv stärkeren Mingueza, der seit Wochen eigentlich den Stammplatz rechts in der Dreierkette inne hatte. Prompt war Roberto am Ausgleich involviert, als er am Fünfmeterraum nicht ins defensive Kopfballduell kam – was ja auch alles andere als seine Stärke ist. Alleine in dieser Situation hätte sich Mingueza kaum schlechter anstellen können, eher im Gegenteil. Später musste Roberto dann verletzungsbedingt vom Platz, seine Saison ist nun gelaufen.
Hinten raus nahm Koeman auch noch Dembélé aus dem Spiel für den schon erwähnten Sergiño Dest (82.), eine Minute später kassierte man das 3:3 – weil diesmal just Dest hier in der Verteidigung auf dem Flügel eine ganz schlechte Figur abgab.
Ronald Koeman hatte sicherlich eine Idee mit seinen Verteidigern, die er ein und auswechselte, doch so wirklich einleuchtend war sie nicht. Und der Mannschaft half sie an diesem Abend auch nicht.
Müdem Barça geht die Luft aus
Zum Endspurt im Titelrennen geht den Blaugrana die Luft aus. Aus den vergangenen vier Spielen holte man nur einen Sieg, mittelmäßige Gegner wie Levante und Granada erwiesen sich als Hürde, die nicht überwunden werden konnte. Und am Ende stellt man sich die Frage: Woran hat es gelegen?
Einer der Gründe ist sicherlich die fehlende Rotation. Am Anfang von Koemans Amtszeit und als er noch viel mit verletzten Spielern jonglieren musste, rotierte der Niederländer verhältnismäßig oft. Seitdem er sein Stammpersonal hat, fast gar nicht mehr. Doch den Spielern merkte man im Spiel gegen Levante abermals an, dass sie spät im Spiel nicht mehr wirklich einen Gang hochschalten konnten. Nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen. Das liegt vor allem am über die Saison hinweg eng getakteten Spielplan, aber auch daran, dass Ronald Koeman häufig mit dem gleichen Personal aufläuft.
Bestes Beispiel ist Pedri, der nach guter Anfangsphase je länger das Spiel dauerte immer mehr abtauchte und dann erneut überspielt und platt wirkte. Spieler wie Miralem Pjanic oder Riqui Puig und Francisco Trincão bekommen keine Einsatzzeiten mehr – nach vielen Wochen ohne Spielzeit wurde Puig immerhin gegen Levante spät mal wieder eingewechselt.
Koeman setzte zuletzt sehr stark auf Konstanz, wirklich Vertrauen in seine Ersatzspieler – mit wenigen Ausnahmen (z.B. Ilaix Moriba) – scheint er nicht mehr zu haben, was überhaupt nicht verwerflich ist. Doch im Endspurt der Saison mit dermaßen vielen englischen Wochen fällt es ihm jetzt auf die Füße.