Der FC Barcelona zeigte ausgerechnet im Clásico einen seiner schwächsten Heimauftritte in dieser Saison. Gegen Real Madrids frühes Pressing fiel den Katalanen nichts ein. Eine Reaktion oder taktische Anpassung blieb ebenfalls aus. Auch von der Seitenlinie bekam Barça an diesem Abend keine Hilfe. Ein Kommentar.
19 Minuten waren gespielt, da wischte Jordi Alba seinem Gegenspieler Raphael Varane kurz übers Gesicht. Eine Provokation des Barça-Linksverteidigers, die beiden Streithähne lieferten sich ein knappes Wortgefecht, dann beruhigten sich die Gemüter auch schon. Abgesehen von dieser kuriosen Szene gab es nicht viele heißblütige Szenen in einem faden Clásico, bei dem besonders die Hausherren erstaunlich zurückhaltend agierten. Man wundert sich schon, was Alba veranlasst hatte, diese unnötige Aktion zu tätigen – war es Impotenz, Frust ob der eigenen Leistung der Blaugrana?
Denn der Wischer gegen Varane geschah just in der besten Phase der Madrilenen, ihrer größten Druckphase. Real Madrid schnürte Barça hinten ein, schlug Flanke um Flanke in den Strafraum der Katalanen, gewann Zweikämpfe und zweite Bälle – und Alba und Co. wirkten wie ein Auswärtsteam, das einen knappen Sieg in der Schlussphase über die Zeit zu retten versucht. Wohlgemerkt: Es handelte sich um die ersten zwanzig Minuten eines Clásicos im eigenen Stadion, der Festung Camp Nou.
Madrid aktiv, Barça passiv
Doch der FC Barcelona hatte keine Antwort auf den Druck Reals parat. Barça wirkte wie paralysiert. Real Madrid presste hoch, stellte die Räume und die Spieler der Blaugrana zu. Casemiro, Federico Valverde, Gareth Bale, Karim Benzema, sie alle hatten einen klaren Plan an die Hand bekommen, einen Auftrag. Madrid spielte aktiv, mit dem Ball und gegen ihn.
Die Reaktion der Katalanen blieb jedoch aus. Denn die Mannschaft von Ernesto Valverde wusste einfach nicht, was sie tun, wie sie reagieren sollte.
Der FC Barcelona, er wirkte an diesem Abend vor gut 94.000 Zuschauern ratlos. Und der Trainer? Er brachte später Arturo Vidal für das Mittelfeld, wechselte Nelson Semedo aus und zog Sergi Roberto zurück auf die Rechtsverteidigerposition. Das war es auch schon an Reaktion. Es ist Valverdes go-to-move, ein Wechsel, den er in der Not häufig und gerne tätigt, wenn es bei Barça nicht läuft. Entweder Semedo rausnehmen, oder den immer hingebungsvoll rackernden Vidal bringen, oder eben beides auf einmal.
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Taktische Anpassungen? Fehlanzeige
Eine wirkliche Idee, ein wirklicher Plan, um auf Madrids Methoden zu reagieren, sehen anders aus. Taktische Anpassungen auf die Widrigkeiten und Herausforderungen nahm Valverde keine vor.
Kein Konzept, keine Inspiration, keine Ideen, keine Hilfe von außen – an diesem Abend wurde vieles augenscheinlich, was den Zustand des FC Barcelona anbelangt, wenn es in einem Spiel mal nicht läuft. Und der Trainer muss sich fragen lassen, wieso dieser Wechsel seine einzige Reaktion blieb an einem fußballerisch tristen Mittwochabend im erwartungsfrohen Camp Nou. “Der Vorwurf bleibt bestehen, dass seine passive Taktik diese Mannschaft bestenfalls dazu bringt, Standardleistungen abzuliefern”, schrieb die englische Zeitung Independent über Valverde.
Auch wenn Real Madrid an diesem Abend kein Tor schoss und sich die ganz zwingenden Chancen auch nicht herauszuspielen vermochte, der Plan der Blancos war eindeutig und funktionierte. Bei der Blaugrana hingegen schien er bis zum Ende der Partie komplett zu fehlen.