Josep Maria Bartomeu hat ein schweres Erbe hinterlassen, die Suppe muss jetzt Ronald Koeman auslöffeln. Der Niederländer ist aktuell aber mehr Zauderer als mutiger Entscheider – dabei wäre genau das seine einzige Chance. Ein Kommentar zur aktuellen Situation des FC Barcelona.
Schon wieder eine Schmach. Auch wenn das 0:3 nicht so dramatisch war wie die Niederlagen in Rom, Liverpool und gegen den FC Bayern München, führte die Heimblamage dennoch einmal mehr vor Augen, wie weit der FC Barcelona derzeit von der europäischen Elite entfernt ist. Meilenweit. Es droht ein weiteres, verlorenes Jahr. Siege gegen Dynamo Kiew oder Ferencvaros Budapest und der Auftritt in Turin mögen zwar kurzzeitig einen anderen Eindruck erweckt haben, der Dienstagabend deckte aber schonungslos jene Defizite auf, die Barça nicht mal mehr in der spanischen Liga konkurrenzfähig sein lassen. Josep Maria Bartomeus Misswirtschaft hinterlässt tiefe Spuren.
Koeman muss Bartomeus Suppe auslöffeln
Auswirkungen, die auch Ronald Koeman spürt. Die verfehlte Kaderpolitik macht es dem Holländer nicht leicht, er muss quasi Bartomeus Suppe auslöffeln: Die Abwehr genügt nicht mal mehr den höchsten La-Liga-Standards, im Mittelfeld fehlt es an einem Box-to-Box-Mittelfeldspieler für Koemans 4-2-3-1 und die Tatsache, dass Martin Braithwaite der einzig klassische Stürmer im Kader ist, spricht Bände. Und zu allem Überfluss fallen derzeit auch noch die einzigen Flügelstürmer im Kader aus, Ansu Fati und Ousmane Dembélé.
Dafür kann der ehemalige Bondscoach nur bedingt was. Seine Körpersprache auf der Bank und die fehlende Linie zeichnen dennoch ein Bild, was schon im Kommentar am 23. August und noch vor dem Bartomeu-Rücktritt von uns thematisiert wurde: Koeman kann nur verlieren.
Die einzige Chance: Titel oder Umbruch
Seine Rettung – eine außergewöhnliche Saison – scheint in Anbetracht der desaströsen Darbietungen aussichtslos zu sein, im Wahlkampf werden sich auch die Präsidentschaftskandidaten für oder gegen die Klublegende positionieren müssen. Noch beschwichtigen Font und Co., die Mitglieder wollen aber Antworten, wie und wer in Zukunft die Trainergeschicke beim FC Barcelona leiten wird.
Neben Titeln und Erfolgen hat Koeman nur mehr eine Chance: Einen radikalen Umbruch einleiten! Bisher zaudert der 57-Jährige mehr, als dass er eine klare Linie erkennen lässt. Griezmann hinter Braithwaite, ein ‘Spielfeld-Breitmacher’ über links und Messi in einer freien Rolle über halbrechts hat funktioniert, bietet aber keinen Platz für Coutinho. Der Brasilianer in zentralerer Position funktioniert nur ohne Griezmann.
Die Doppelsechs aus Pjanic/Busquets plus de Jong trägt bisher auch keine Früchte, da Zug nach vorne – sprich der klassische Box-to-Box-Mittelfeldspieler – fehlt. De Jong versucht sich situativ in der Rolle, füllt diese aber nicht zufriedenstellend aus. Und Riqui Puig und Carles Aleña haben im aktuellen 4-2-3-1-System keinen wirklichen Platz.
Ende der Kompromisse muss her
Will Koeman auch in Zukunft beim FC Barcelona Trainer bleiben, muss er diese heißen Eisen anfassen: Messi, Coutinho und Griezmann ist mindestens einer zu viel, das Gleiche gilt für Pjanic, de Jong und Busquets, weil sie die Grundthemen, die das Spiel der Katalanen braucht, blockieren: Breite und Dynamik. Breite können Spieler wie Dembélé wie Trincão, aber auch ein Konrad bringen, Dynamik Puig oder Aleña.
Ein Hinauszögern und das Festhalten an einem Kompromiss-System wird keine Besserung bringen und je länger der Holländer mit den schwierigen Themen wartet, um so mehr wird ihm die Zeit davonlaufen. Zeit, die er nicht hat, weil spätestens in der heißen Phase des Wahlkampfes Fragen auftauchen werden. Die Antworten kann Koeman schon in den nächsten Spielen liefern, dazu muss er aber den Weg der Kompromisse verlassen und mutige Entscheidungen treffen. Dann hat Koeman möglicherweise doch eine Zukunft – auch ohne Titel.