Man muss kein Starscout sein, um einen 21-jährigen spanischen Nationalspieler ins Beuteschema des FC Barcelona einzuordnen. Rein fußballerisch verkörpert Ferran Torres auch den typischen passstarken Techniker. Allerdings unterscheidet den Neuzugang von Manchester City auch einiges von diesem Stereotypen. Welcher Spielertyp ist Ferran Torres, wo liegen seine Vorzüge, Stärken und Schwachen? Eine Spieleranalyse.
Ferran Torres in der Analyse
Schon in seiner Zeit bei Valencia hatten alle großen Vereine ein Auge auf Ferran Torres geworfen. Nun ist er bereits eine feste Größe in der Spaniens Nationalmannschaft und wurde unter Pep Guardiola bei Manchester City nur von einem Fußbruch ausgebremst. Auf der Insel hat er sich trotz seines letztlich kurzen Engagements positionell, wie auch spielerisch weiterentwickelt.
Torres’ natürlicher Platz ist auf dem offensiven Flügel, wo er seine Geschwindigkeit und sein gutes Lauftiming perfekt ausspielen kann. Seine Schnelligkeit, Antrittsstärke, Begabung im Freilaufverhalten und Kaltschnäuzigkeit veranlassten Guardiola, den 21-Jährigen ins Zentrum zu stellen. Als falsche Neun lässt Torres sich gerne ins Mittelfeld fallen und sucht vor der gegnerischen Kette nach Raum, mit dem er arbeiten kann.
Kein gelernter Mittelstürmer: Torres hat Luft nach oben beim Spiel mit Rücken zum Tor
Hier liegt auch noch eine seiner wenigen Schwächen. Erhält Torres nämlich den Ball mit dem Rücken zum Tor, hat er Probleme, mit Ball am Fuß aufzudrehen oder zumindest einen sicheren Pass zurück in die eigenen Reihen zu spielen. Die technischen Fehler führen auch teilweise zu unangenehmen Ballverlusten im Zentrum des Feldes. Dies kann er dann mit akribischen Gegenpressing zum Teil kaschieren, wobei auch hier noch Potenzial nach oben ist.
Torres bei ManCity kein klassischer Eins-gegen-Eins-Flügelspieler
Interessanterweise hat Ferran Torres mit 0,9 Dribblings pro Spiel (Quelle: whoscored.com) keinen sonderlich hohen Wert. Auch sein Statsbomb-Radar (siehe unten) der Saison 2020/21 zeigt auf, dass er erstaunlich wenig erfolgreiche Dribblings praktiziert – was für einen gelernten Winger ungewöhnlich ist. Torres ist also, obwohl er am liebsten auf dem Flügel spielt, kein Typ wie Ez Abde oder Ousmane Dembélé, der ständig das Eins-gegen-Eins sucht. Vielmehr ähnlich Torres von Typus her Liverpools Sadio Mané.
Dieeher niedrigen Dribblingwerte während seiner Zeit bei ManCity hängen natürlich mit seiner neuen Positionierung im Zentrum, den Anforderungen und Vorgaben Guardiolas, Citys System und auch den eher wenigen Einsätzen zusammen, aber auch auf Außen sucht Torres eher mal den Doppelpass, um einfach mit Tempo am Gegner vorbeizukommen.
Typisch spanisch ist sein Passspiel präzise, aber vor allem auch mit einer wichtigen Variabilität an Schärfe. Gerade auf engem Raum sind diese Eigenschaften notwendig. Allerdings erhält er im Zentrum, zwischen den Linien auch sehr häufig selbst druckvolle Passe, wo ihm sein guter erster Kontakt zunutze ist.
Torres schussfreudig und schussstark
Die meisten seiner erzielten Tore fielen durch einen Kontakt und ohne Gegnerbedrängnis. Das heißt nicht, dass ihm seine Tore „geschenkt“ wurden, sondern, dass er ein bemerkenswertes Positionsspiel besitzt und gerne schnell abschließt. Oftmals wird auf den Schulterblick des Verteidigers gewartet, nur um genau danach den Lauf zu starten. Guardiola sagte letzte Saison bei Sky Sports: “Er kam als Flügelspieler, kann aber eine Nummer Neun sein. Der Riecher – die Stürmer wissen intuitiv, wo der Ball ankommt – dieses Talent hat er.” Das erkannte auch Luis Enrique, der ihn beim Nations-League-Final-Four als Mittelstürmer aufstellte. Im Halbfinale gegen Italien erzielte Torres just zwei Tore in allerbester Mittelstürmermanier innerhalb des Fünfmeterraums – einmal per Volley-Direktabnahme, einmal per Kopf.
Torres könnte beim FC Barcelona alle drei Frontpositionen bekleiden und für jede Position gibt es gute Argumente. Auf Außen könnte er den Mangel an schnellen Flügelspielern ausgleichen und die dringend benötigte Kombination von Breite und Geschwindigkeit bieten. Im Zentrum werden seine Kaltschnäuzigkeit und sein gutes Timing im Freilaufverhalten sowie seine Tiefenläufe akut gebraucht.
Beim Timing könnte man kritisch anmerken, dass ja schließlich zwei dazu gehören, der Passgeber und der Empfänger. Das Verständnis beider Parteien war diese Saison ein häufiges Problem bei Barça und somit ist nicht klar, ob diese Fähigkeiten mit transferiert werden. Zumindest kennt Torres viele Spieler aus der spanischen Nationalmannschaft und wird sich so wahrscheinlich schneller auf und außerhalb des Platzes integrieren können. Er hat definitiv die Anlagen eine feste Größe in Xavis neuem Projekt zu werden. Ob er sein Potenzial unter Xavi voll ausschöpfen kann, wird sich zeigen – genauso, wo genau ihn Barças neuer Coach letztlich einplant.
Ferran Torres strahlt in Blaugrana – die ersten Bilder als Barça-Profi
Ein Artikel der klar unterstreicht, warum man mit Ferran nicht auf langer Sicht als falscher 9er planen sollte. Aber das tut Barca zum Glück sowieso nicht und will spätestens im Sommer einen echten 9er holen.
Für mich ist Torres trotzdem irgendwo eine Wundertüte. Bin zwar optimistisch, dass er uns weiterhelfen wird, aber 55 Millionen sind echt zu viel. Mal schauen.